Sexualstörungen - Störungen der SexualitätSymptome bei Frauen und Männern |
Die Häufigkeit sexueller Störungen wird leicht unterschätzt. Gefühle der Peinlichkeit und Scham erhöhen die Schwelle, professionelle Hilfe zu suchen. Die Tabuisierung von Sexualität führt darüber hinaus sowohl auf Seiten des Patienten als auch auf der Seite des Therapeuten dazu, dass sexuelle Probleme meist relativ spät zum Gesprächsthema werden.
Haus- oder Fachärzte sind meistens die ersten, die von sexuellen Problemen erfahren. "Eine Befragung von Hamburger Ärzten (Schorsch et al. 1977) kommt zu der Minimalschätzung von 1100 Patienten, die in Hamburg pro Woche primär wegen eines sexuellen Problems einen Arzt aufsuchen. Weitere 1200 haben als Nebensymptom eine sexuelle Störung. Das entspräche über 0,1% der Bevölkerung, die im Laufe einer Woche wegen sexueller Probleme zum Arzt gehen" (Rudolf, 1996, S. 278).
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Bei Männern stehen drei Symptombilder im Vordergrund
Man spricht von einer Erektionsstörung, wenn trotz ausreichender sexueller Erregung der Penis nicht, oder nicht lange genug, steif wird, um den Geschlechtsverkehr zu ermöglichen. Bei der Diagnose ist wichtig, ob diese Störung partiell oder total auftritt (d.h. manchmal möglich oder überhaupt nie). Ist die Erektion manchmal möglich (z.B. bei der Masturbation), ist davon auszugehen, dass der Störung eine psychische Ursache zugrunde liegt. Ist die Erektion in keiner Situation möglich, muss an eine organische Ursache gedacht werden, obwohl auch manchmal hier die Ursache psychisch sein kann (z.B. durch eine Depression bedingt).
Man kann nicht sinnvoll objektivieren, wann ein Samenerguss als vorzeitig zu bezeichnen ist. Meistens wird die Ejakulation von Männern als vorzeitig erlebt, wenn sie beim oder unmittelbar nach Einführen des Penis passiert. Sie wird auch häufig als weniger intensiv erlebt.
Der vorzeitige Samenerguss ist abhängig vom Alter und der sexuellen Erfahrung. Er tritt bei jungen und sexuell unerfahrenen und mit der Partnerin unvertrauten Männern häufiger auf und nimmt häufig mit wachsender Erfahrung und Vertrautheit mit der Partnerin ab.
Dieses Symptom ist relativ selten und ist verwandt mit dem verzögerten Samenerguss, bei dem erst nach subjektiv als quälend lang empfundenen Verkehr oder anderer Stimulation, der Orgasmus kommt.
Unter Erregungsstörungen versteht man, dass die Scheide nicht feucht wird und die damit verbundenen sexuellen Erregungsgefühle ausbleiben. Sie können auftreten, obwohl Lustgefühle empfunden werden. Das Orgasmuserleben ist häufig mit betroffen. Es gibt aber auch Frauen, bei denen die Orgasmusfähigkeit nicht durch die Erregungsstörungen beeinträchtigt ist.
Sie treten häufig in Verbindung mit Erregungsstörungen auf, können aber auch ohne Beeinträchtigung der Erregung auftreten. Die Frauen, die an dieser Störung leiden, sind sexuell erregungsfähig, kommen aber nicht über die Plateauphase der sexuellen Erregung hinaus.
Es ist anzumerken, dass höchstens die Hälfte aller Frauen immer oder fast immer beim Geschlechtsverkehr zum Orgasmus kommt, doch können nicht wenige Frauen multiple Orgasmen bekommen (was bei Männern selten der Fall ist). Bei Frauen, die beim Geschlechtsverkehr manchmal einen Orgasmus haben und manchmal keinen, ist der subjektive Leidensdruck meist gering.
Es handelt sich hier um eine unwillkürliche, reflexartige Verkrampfung des Scheideneingangs und der Beckenbodenmuskulatur beim Versuch des Geschlechtsverkehrs. Die Verengung des Scheideneingangs ist so stark, dass der Penis nicht eingeführt werden kann. Bei schweren Fällen sind gynäkologische Untersuchungen und das Einführen von Zäpfchen oder Tampons nicht möglich. Die Verkrampfung an sich ist nicht schmerzhaft, und die sexuelle Lust und Erregung und auch die Orgasmusfähigkeit ist bei Frauen, die an Vaginismus leiden, nicht notwendigerweise beeinträchtigt.
Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, die keine körperlichen Ursachen haben (wie z.B. Infektionen oder Vernarbungen nach Operationen), kann man entweder als leichte Form des Vaginismus sehen oder als Symptom von Erregungsstörungen aufgrund ausbleibendem Feuchtwerden der Scheide
Der körperliche Allgemeinzustand hat Einfluss auf die Sexualität. Entsprechend können sich körperliche Erkrankungen, Operationen und Medikamenteneinnahme etc. auf die sexuelle Funktions- und Erlebnisfähigkeit auswirken. Es empfiehlt sich, eine diagnostische Einschätzung einzuholen, inwieweit die sexuelle Funktion durch körperliche Faktoren beeinträchtigt sein könnte. Ist der Befund positiv, konzentriert sich das psychosomatische Handeln auf die psychische Verarbeitung der sexuellen Behinderung. Bei negativem oder uneindeutigem Befund muss der Konflikt, der sich hinter dem Symptom verbirgt (Psychodynamik) ermittelt werden, d.h. also die verursachenden Faktoren und diejenigen Faktoren, die dazu führen, dass der Konflikt in Form des Symptoms aufrechterhalten wird.
Die Sexualstörungen, denen keine rein körperliche Ursache zugrunde liegt, lassen sich krankheitstheoretisch entweder als Ausdruck unverarbeiteter psychischer Konflikte oder als Schwäche bzw. Störung der Struktur der Persönlichkeit betrachten. Der Umkehrschluss, dass unverarbeitete psychische Konflikte und Persönlichkeitsstörungen Ausdruck sexueller Konflikte sind, lässt sich nur dann machen, wenn man eine wesentliche Differenzierung einführt: Viele unverarbeitete psychische Konflikte und Störungen der Persönlichkeit beeinträchtigen die sexuelle Funktionsfähigkeit nicht, drücken sich aber im sexuellen Erleben aus. Beispielsweise ist bei angstneurotischen Patienten die sexuelle Funktionsfähigkeit wie bei anderen Menschen auch, das sexuelle Erleben ist aber besetzt von der Thematik der Angst. Das Thema des Verlustes nahe stehender Personen, das häufig der Angstneurose zugrunde liegt, führt häufig dazu, dass diese Patienten ihre Sexualität sehr anklammernd gestalten. Ihr zentraler Wunsch ist die Kontrolle des Partners, und die Sexualität wird als Bestätigung der unbedingten Nähe des Partners notwendig. Das sexuelle Verhalten und Erleben drückt den Konflikt aus, ist aber nicht seine Ursache. Das gilt für Neurosen (unverarbeitete psychische Konflikte, die zu Symptomen führen), Persönlichkeitsstörungen und psychosomatische Krankheiten allgemein.
Sexuelle Symptome kann man als das Ergebnis eines Konflikts verstehen. Diesen Konflikt kann man vereinfacht folgendermaßen darstellen: "Triebwünsche können Angst auslösen. Diese Angst wird kompensiert, indem das Ich mit einem Verzicht auf die Sexualfunktion reagiert. Mit diesem Verzicht sind die Triebwünsche um ihre Realisierungschance gebracht und damit entschärft. Die Angst kann dann in dem Maß abnehmen, wie das Symptom sich verfestigt" (Rudolf, 1996, S. 280).
Bei dieser Sichtweise haben die Symptome die Funktion, den psychischen Haushalt zu stabilisieren. Der vorrangige Gewinn, der durch die Symptome erreicht wird, ist die Verringerung der Angst.
Inhalt der Triebwünsche können Wünsche nach Eroberung und Hingabe sein, aber auch Versorgungswünsche oder Unterwerfungslust, sowie aber auch Impulse wie Enttäuschungswut oder stummer Ärger. Die Symptombildung wird aber nicht alleine durch den Inhalt der Triebwünsche beeinflusst, sondern auch davon, welches Ausmaß die Bedrohlichkeit dieser Wünsche für die einzelne Person hat.
Es ist ganz entscheidend zu verstehen, dass die sexuellen Symptome, durch Bindung der Angst, eine die Persönlichkeit stabilisierende Funktion haben.
Sexuelle Symptome treten im Zusammenhang von sexuellen Beziehungen auf, d.h. sie sind Teil aufeinander bezogenen Handelns von Personen. Durch die Ausrichtung auf einen Partner können spezifische Ängste aktiviert werden, wie beispielsweise Scham, Unterlegenheitsgefühle, vor allem aber Ängste vor Hingabe. Häufig sind diese Ängste unbewusst: Sie sind es aber nicht notwendigerweise, denn von Patienten selbst wird gelegentlich geäußert, dass sie Schwierigkeiten haben sich hinzugeben und sich fallen zu lassen, ohne das das Orgasmuserleben schwer möglich ist.
Die Fähigkeit, sich hingeben zu können und diese Hingabe auch als lustvoll zu erleben, setzt eine relativ entwickelte Struktur der Persönlichkeit voraus. Bezogen auf die Sexualität bedeutet das, dass die eigenen oder die geäußerten Wünsche des Partners zunächst verarbeitet, kanalisiert und dann in Verhalten umgesetzt werden. Diese verzögernde, relativierende und an die aktuelle Situation angepasste Verarbeitung ist eine wichtige Funktion, die vor Überwältigungsgefühlen schützt und die teilweise Aufgabe der Kontrolle ermöglicht, ohne dass eine starke Angst vor dem Verlust der Autonomie oder sogar vor der Zerstörung aufkommt. "Patienten, die diese Ich-Funktion nicht genügend ausbilden und die Erfahrung, sich selbst schützen zu können, oder geschützt zu werden, nicht zuverlässig verinnerlichen konnten, müssen intime Nähe als potentielle Bedrohung erleben" (Rudolf, 1996, S. 281).
Es ist möglich, dass sexuelle Wünsche von einer strengen moralischen Instanz, die verinnerlicht wurde (dem so genannten Über-Ich) zensiert werden. Für die Generation, die in einer liberalen Zeit ohne strenge moralische Restriktionen bezüglich der Sexualität groß geworden ist, spielt dieser "klassische" Konflikt kaum mehr die Hauptrolle bei der Entstehung sexueller Symptome. Doch bei älteren oder stark an die Kirche gebundenen Patienten ist dieser Konflikt immer noch zu finden.
Häufig hat auch der Partner, bei dem keine Symptome festzustellen sind, Anteil an der Störung. Tritt die Störung erst im Verlauf einer Partnerschaft auf, dann muss diese Möglichkeit immer bedacht werden. Wenn der eine Partner die Störung schon vor der aktuellen Partnerschaft hatte, kann es sein, dass er sich unbewusst einen Partner wählt, durch den das Symptom aufrechterhalten wird. Unterschwellige Konflikte zwischen den Partnern sind schwerer zu durchschauen als Machtkämpfe und offene Feindseligkeit. Die Dynamik unterschwelliger Konflikte hat Willi mit seinem Kollusionsmodell (1975) dargestellt. Kollusion bezeichnet das Zusammenspiel der beiden Partner in einem gemeinsamen Grundkonflikt. Nach außen scheint ihr Verhalten völlig gegensätzlich (z.B. opfert der eine Partner alles für die Zweisamkeit, während der andere nach Autonomie strebt), doch ist das Verhalten beider Partner das Ergebnis der Abwehr eines gemeinsamen Konfliktes. Jeder der Partner übernimmt eine Seite des Konfliktes und übergibt die andere Seite an den Partner, an dem er sie bekämpft. Wichtig ist daher immer, daran zu denken, dass der Partner ohne Symptome eventuell ein Interesse an der Störung des anderen haben könnte, auch wenn er sich nach außen über diese Störung beklagt.
Ist eine Störung chronisch, läßt sich immer ein Selbstverstärkungsmechanismus erkennen, der das Symptom aufrechterhält, ohne dass die ursprüngliche Ursache für das Symptom noch wirksam wäre.
"Das Auftreten eines Mißerfolgs oder einer sexuellen Frustration wird ängstlich für die nächste sexuelle Situation vorweggenommen und schafft einen Erwartungsdruck, der seinerseits erst recht zum befürchteten Resultat führt. Gerade bei sexuellen Symptomen ist dann eine unentrinnbare Selbstbeobachtung festzustellen" (Rudolf, 1996, S. 281).
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Entscheidend für die Wahl der Therapie ist, ob die Behandlung besser allein oder mit beiden Partnern als Paartherapie durchgeführt werden soll.
Bei Störungen, die die sexuelle Funktionsfähigkeit betreffen, gilt prinzipiell, dass die symptomorientierte Paartherapie Erfolg versprechender ist. "Da sexuelle Störungen immer auch Störungen der sexuellen Interaktion mit einem Partner sind, ist es sinnvoll, die sexuelle Interaktion zum Fokus der Therapie zu machen. Das ist das Prinzip der Paartherapie nach Masters und Johnson. Voraussetzung ist, dass der Partner bereit ist, das sexuelle Problem als auch ihn selbst betreffend zu sehen. Außerdem muss der wegen der Symptome nachsuchende Partner seinerseits daran interessiert sein, das Problem in der gegenwärtigen Partnerschaft zu lösen. Schließlich sollten keine akuten Trennungsprobleme im Vordergrund stehen" (Rudolf, 1996, S. 282).
Wenn der Patient nicht sehr auf das Symptom fixiert ist, sondern das Symptom eher eine Facette eines unverarbeiteten psychischen Konflikts oder einer Persönlichkeitsstörung darstellt, ist eine Einzeltherapie sinnvoller, die sich aber nicht wesentlich von anderen Behandlungen psychischer Konflikte unterscheidet. Einzeltherapien, bei denen der Patient stark auf sein sexuelles Symptom fixiert ist, haben schlechte Erfolgschancen.
Bei einer Gruppe, bei der die Symptome relativ gleichgeartet sind, kann auch eine Gruppentherapie durchgeführt werden. Bisher wurden gute Erfolge mit therapeutischen Frauengruppen für Patientinnen, die an Erregungs- und Orgasmusstörungen leiden, erzielt. Weniger durchgesetzt haben sich reine Männergruppen.
Dipl.-Psych. Volker Drewes
Kollwitzstr. 41
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