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Musik­the­ra­pie

Rhyth­mus als Lebens­hilfe

 

Der Herzschlag – Der Urpuls der Musik

In der Musik­the­ra­pie kom­men musi­ka­li­sche Grund­re­geln zur Gel­tung, so dass sich die Musik­the­ra­pie auch als eine Form der Lebens­hilfe oder eine Anwen­dungs­form im psy­cho­the­ra­peu­ti­schen Bereich anbie­tet.

Schon im Mut­ter­leib leben wir in einer Klang­welt, die von einem stän­di­gen Pul­sie­ren durch­drun­gen ist. Der Herz­schlag der Mut­ter und unser eige­ner Herz­schlag sind die ers­ten Rhyth­mu­ser­fah­run­gen, die uns prä­gen. Der Herz­schlag ist ein ele­men­ta­res rhyth­mi­sches Maß in uns. Mit ihm lebt eine Pul­sa­tion in uns, die ein bestimm­tes Tempo im Ver­hält­nis zu allen ande­ren Pul­sa­ti­o­nen ver­kör­pert. Das Wis­sen um den inne­ren Puls fin­den wir in allen Kul­tur­krei­sen. Der Tac­tus inte­ger valor war die Basis euro­pä­i­scher Musik von der Mitte des 15. Jahrh. bis Ende des 16. Jh. Er war der Grund­puls in Bach­scher Musik und ent­spricht mit 60 Schlä­gen pro Minute einem lang­sa­men Herz­schlag. Die ver­schie­de­nen Tempi ent­ste­hen durch unter­schied­li­che Ver­hält­nisse zu die­ser Grund­pul­sa­tion.

In der Musik wir­ken Ver­zö­ge­run­gen, Beschleu­ni­gun­gen, Tem­po­wech­sel. Schwan­kun­gen und Varia­ti­o­nen sind auch Grun­d­ele­mente im Pul­sie­ren der uns umge­ben­den Natur. "Musi­ka­li­scher Rhyth­mus ist ein Spie­gel der Rhyth­men in der Natur. So erlan­gen wir durch das Erle­ben und Ken­nen ler­nen von Pul­sa­ti­o­nen im musi­ka­li­schen Bereich einen Zugang zu allen Phä­no­me­nen, die mit Pul­sa­tion ver­bun­den sind." (Fla­tisch­ler 1990)

 

Die rhythmischen Grundbegriffe in der Musik

Das Metrum ist der rhyth­mi­sche Grund­schlag, der jedem Rhyth­mus und jeder Musik zugrunde liegt (Herz­schlag, Puls). Eine Anein­an­der­rei­hung von Schlä­gen (Gleich­schlag) ist noch kein Rhyth­mus. Erst eine sich wie­der­ho­lende Beto­nung bringt "Ord­nung in die Bewe­gung", macht sie als Mus­ter, Abfolge, Struk­tur, eben als Rhyth­mus erfahr­bar. Fla­tisch­ler nennt diese ele­men­tare rhyth­mi­sche Kraft die Pul­sa­tion. Aus ihren bei­den Ele­men­ten Puls und Zwi­schen­raum ent­fal­tet sie sich in zwei neue rhyth­mi­sche Kräfte : schwer leicht schwer leicht.

Das Fül­len der Zwi­schen­räume mit ver­schie­de­nen Unter­tei­lungs­pul­sen lässt neue Qua­li­tä­ten hör­bar wer­den (Takt­ar­ten). Durch Unter­tei­lun­gen geht von gleich gro­ßen Zwi­schen­räu­men unter­schied­li­che Wir­kung aus.

 

 

Musiktherapie: Rhythmen in der Musik

In der Musik ist das ein­fachste rhyth­mi­sche Prin­zip der Zwei­er­takt, der mit der Rhyth­mik des Gehens und des Herz­schlags ver­bun­den ist.

Das andere uni­ver­selle Grund­mus­ter, der Drei­er­takt, ent­stammt der Rhyth­mik des Atmens.

Diese Kör­per- und Zahl­lo­gik ist der Grund dafür, dass es keine ande­ren Rhyth­men als Zweier und Dreier gibt. Alle ande­ren sind Spiel­for­men oder Kom­bi­na­ti­o­nen davon. (vgl. Fritz Hegi, S.32)

Durch ein­fa­che Wech­sel von Beto­nun­gen bekom­men Rhyth­men andere Cha­rak­tere und Wir­kun­gen. Beto­nen wir im 4/4 Takt auf 1 und 3, so hören wir eher Marsch oder Rock­mu­sik; beto­nen wir auf 2 und 4, also im so genann­ten off-beat, so hören wir eher Polka oder Jazz; beim 3/4 Takt mit Beto­nung auf 1 hören wir Wal­zer oder Mazurka. Der Marsch z.B. dient haupt­säch­lich dem Gleich­schritt einer Gruppe. Beto­nung auf der Eins bestä­tigt den eige­nen Stand­punkt, erzeugt Erdung = Schwere. Auch Beat, Rock‘n‘ Roll und Pop­mu­sik beto­nen den ers­ten Schlag im Takt. Oft wer­den sogar alle Schläge betont, was dem Rhyth­mus eben den Beat, den ,,schla­gen­den" Cha­rak­ter gibt. Der Puls des Jazz betont mit der Ent­de­ckung des ,,Swing" nicht mehr auf dem ers­ten Schlag eines Tak­tes, son­dern meis­tens im Gegen­schlag (off-beat). Dadurch schwingt (swingt) er unauf­halt­sam trei­bend und trotz­dem leicht. Auch die rhyth­mi­sche Bewe­gung im Samba (Beto­nung auf dem leich­ten Takt­teil, der Zwei) ver­mit­telt ein Gefühl von vita­li­sie­ren­der Leich­tig­keit.

Die meist mono­tone Moto­rik der ,,Disco-Musik", die cha­rak­te­ri­siert ist durch abso­lute Gleich­för­mig­keit der Zei­t­ein­tei­lung, ver­mit­telt zwar dadurch so etwas wie Sicher­heit, ersetzt aber die leben­dige Sub­stanz rhyth­mi­scher Emp­fin­dung durch tote Per­fek­tion.

Die Erfah­rung der unge­ra­den Zyklen (Takt­ar­ten wie 5er, 7er, 9er etc.) ist heute fast ganz aus dem Musik­le­ben ver­schwun­den (und damit viel­leicht auch die Qua­li­tät von grö­ße­ren rhyth­mi­schen Erleb­nis­räu­men). Wir leben in einer 2er bzw. 4er Rhyth­mus­kul­tur. Bereits der 3er ist uns schon etwas frem­der und 5er, 7er, 10er oder 11er sind fast im Bereich des Exo­ti­schen. In der indo­ne­si­schen Game­lan- Musik gehö­ren diese zur Volks­mu­sik und der Umgang damit ist selbst­ver­ständ­lich. Sie­be­ner sind noch in grie­chi­schen Volks­tän­zen anzu­tref­fen.

Wo rhyth­mi­sche Pola­ri­tä­ten mit­ein­an­der in Bezie­hung tre­ten, ent­steht eine Vita­li­sie­rung des Lebens­ge­fühls.

 

Rhythmische Körperarbeit in Verbindung mit Therapie

R. Fla­tisch­ler: ,,Die Beschäf­ti­gung mit Rhyth­mus zur Erwei­te­rung des Bewusst­seins war frü­her für Men­schen aller Kul­tur­kreise Bestand­teil des täg­li­chen Lebens. Mit der Ent­fer­nung vom unmit­tel­ba­ren Erle­ben der Natur durch die fort­s­chrei­tende Zivi­li­sa­tion und die kör­per­feind­li­che Ein­stel­lung gerade unse­rer abend­län­di­schen Ver­gan­gen­heit wird das Phä­no­men "Rhyth­mus" immer weni­ger prä­sent."

Nie­mand ist "von Natur aus" unrhyth­misch. Die rhyth­mi­schen Impulse, die im Inne­ren eines Men­schen als Herz- und Atem­rhyth­mus schwin­gen, wer­den durch Stö­run­gen im psy­chi­schen Bereich emp­find­lich beein­flusst; zugleich füh­ren diese auch zu einer Min­de­rung der Fähig­keit, die inne­ren Gescheh­nisse wahr­zu­neh­men. Ler­nen wir unsere innere Bewe­gung in hör­bare Rhyth­men der Stimme, des Klat­schens, sowie in Bewe­gung des Kör­pers umzu­set­zen, begeg­nen wir auf die­sem Weg nach außen Gefüh­len und Zustän­den unse­res Kör­pers, die ein Spie­gel unse­res psy­chi­schen Bereichs sind.

Zugleich tre­ten wir mit der Umwelt in Kon­takt und wir­ken auf sie ein. In die­ser Wirk­lich­keit zeigt sich, wie sehr wir dabei zu unse­rem Tun ste­hen kön­nen oder in Ver­wir­rung gera­ten, wenn unser Gegen­über einen ande­ren Rhyth­mus ausströmt. Will ich mich durch­set­zen, ver­liere ich mich, oder gelingt es mir, zusam­men mit mei­nem Gegen­über etwas Neues zu gestal­ten? So wird durch Rhyth­mus­übun­gen das Fin­den der eige­nen Basis inner­halb der Umwelt lern- und erfahr­bar.

Der Weg des Rhyth­mus ist wie Medi­ta­tion ein Lern­pro­zess, der die vie­len Pola­ri­tä­ten in uns ver­bin­det und in Har­mo­nie bringt: das Außen und das Innen, den Beat und Off­beat, Links und Rechts, Oben und Unten. Auf dem Weg dort­hin führt er uns zu den unbe­wuss­ten Berei­chen, in denen wir fest­hal­ten, über- oder unter­spannt sind, indem wir die Wir­kung spü­ren, die sein Schwin­gen in die­sen Berei­chen aus­löst.

Wolf Bün­tig ver­bin­det die Take­tina - Rhyth­mus­a­r­beit mit Huma­nis­ti­scher Psy­cho­lo­gie, Gestalt­the­ra­pie und Bio­ener­ge­tik. Aus sei­ner Erfah­rung kann sie ,,tief grei­fende Lösungs- und Ent­wick­lungs­pro­zesse weit jen­seits der ver­bal-logi­schen Bewusst­seins­ebene aus­lö­sen", die aller­dings der bewuss­ten Ver­a­r­bei­tung bedür­fen. Er sieht darin the­ra­peu­ti­sche Mög­lich­kei­ten für die Arbeit mit früh­ge­stör­ten, psy­cho­so­ma­tisch erkrank­ten, aber auch neu­ro­tisch fixier­ten Men­schen.

 

Einige Betrachtungen über mögliche Wirkungen von Rhythmusarbeit in der Therapie

Chaos und Rhyth­mus: Die heu­tige Welt ist von stän­di­gem Wan­del geprägt; Sys­teme lösen sich auf, Gewohn­tes ver­än­dert sich immer wie­der; was eben noch Gül­tig­keit hatte, ist plötz­lich einem völ­lig neuen Umfeld gewi­chen. Der Boden alter Rou­tine kommt ins Schwan­ken, und die Fähig­keit los­las­sen zu kön­nen wird zum Thema.

,,Rhyth­mus ist für mich das Spie­gel­bild eines sich stän­dig ver­än­dern­den Lebens, in dem wir nichts fest­hal­ten kön­nen, und der rhyth­mi­sche Weg scheint mir ein effek­ti­ves Lern­feld, um Sta­bi­li­tät und Insta­bi­li­tät, Wech­sel zwi­schen Chaos und Ord­nung zu er leben. (Fla­tisch­ler 1992) Manch­mal löst es Ängste aus, nicht im Rhyth­mus zu sein, ins Chaos zu fal­len. Die­sen Moment des ,,Raus­fal­lens" als etwas erle­ben kön­nen, was sein darf und wie der Rhyth­mus ein­fach wei­ter­geht, auch wenn ich vor­über­ge­hend nicht den Durch­blick habe und erle­ben, wie ich mich dem Pro­zess wie­der anver­trauen kann, kann heil­sam sein. Im Pro­zess des Los­las­sens kann alles ,,wie von selbst" gesche­hen; nicht ich mache, son­dern es geschieht. Mög­li­che Lösung von Fixie­run­gen, die auf Früh­stö­run­gen zurück­ge­hen. Selbst­kon­trolle, um Unsi­cher­hei­ten zu ver­mei­den erzeugt Fest­hal­ten. Die Gegen­wart mit fixier­ten Ver­hal­tens­wei­sen in den Griff bekom­men aus Angst vor dem gegen­wär­ti­gen Erle­ben, dem Hier und Jetzt, ,,sich zusam­men­neh­men" erzeugt (Mus­kel-) Span­nung, ver­hin­dert das Gefühl des Getra­gen­seins und somit die Grund­lage rhyth­mi­schen Erle­bens. Die Erfah­rung, dass wir wie von selbst in den Rhyth­mus zurück­fin­den, wenn wir im Chaos prä­sent und gelas­sen blei­ben, lässt den Boden ent­de­cken, der wirk­lich trägt. Die Basis, die kon­kret in der Rhyth­mus­a­r­beit trägt ist der Klang der gro­ßen Bass­trom­mel (Surdo) und die Schritte, die wir dazu gehen. Wenn wir uns vor­über­ge­hend nur auf diese Basis "redu­zie­ren" kön­nen, der Gestal­tung der dar­über­ge­la­ger­ten Rhyth­men durch Klat­schen und Stimme ein­mal "nur lau­schen", so müs­sen wir das Raus­fal­len nicht als Ver­sa­gen erle­ben, son­dern das Gefühl ,,mal drau­ßen sein kön­nen und irgend­wann wie­der rein­kom­men" auch geni­e­ßen.

Durch die Länge und die Wie­der­ho­lung in der Rhyth­mus­a­r­beit kön­nen inten­si­ves Erle­ben und starke innere Bil­der ent­ste­hen

Tie­fen­psy­cho­lo­gisch gese­hen kann Musik einen rhyth­mi­schen Aus­gleich zwi­schen Regres­sion und Rea­li­täts­zu­wen­dung bewir­ken. In der Regres­sion kön­nen frühe Gefühls­zu­stände wie­der ins Erle­ben kom­men, die Rea­li­tät wird in prä­lo­gi­schen, bild­haf­ten und ani­mis­ti­schen For­men erlebt und das Erle­ben des eige­nen Kör­pers und der eige­nen Gefühle inten­si­viert.

Im Span­nungs­feld von Lust­prin­zip und Rea­li­täts­prin­zip kann die Regres­sion durch Musik eine ,,Erho­lungs­funk­tion" haben. Die Libido zieht sich auf den eige­nen Kör­per zurück, um in der Ent­span­nung neue Kräfte für die Inter­ak­tion zu sam­meln. (Willms 1977) In der Rhyth­mu­ser­fah­rung lädt die gleich blei­bende Basis der Surdo zur Ver­schmel­zung ein, erzeugt ein Gefühl von Getra­gen­sein, sich fal­len­las­sen, im Gan­zen auf­ge­hen. die Gestal­tung der dar­über­ge­schich­te­ten Rhyth­men för­dert Akti­vi­tät und Kon­takt­auf­nahme. Im Lust­prin­zip kön­nen nar­ziss­ti­sche Posi­ti­o­nen wie­der­be­lebt wer­den durch Musik, die auf der einen Seite das Gefühl der Ver­schmel­zung bewirkt (frühe Mut­ter- Kind-Bezie­hung), Tren­nungs­angst auf­hebt (Klang der Surdo erin­nert an Herz­schlag, gleich blei­bende Pul­sa­tion, die trägt), auf der ande­ren Seite bewusste Gestal­tung, Gestalt­wahr­neh­mung von Musik bzw. Rhyth­men (Rea­li­täts­prin­zip), die Wach­heit und Prä­senz för­dert und so die Balance zwi­schen Ver­schmel­zung und Objekt­be­zie­hung, Kon­takt und Rück­zug ermög­licht.

Abschlie­ßend scheint es wich­tig, in Bezug auf Rhyth­mus-Erle­ben sol­che Phä­no­mene wie Trance, Hyp­nose oder Ekstase zu erwäh­nen und ihre Ver­bin­dung zu scha­ma­nis­ti­schen Tra­di­ti­o­nen. In Ritu­a­l­fes­ten wer­den durch stun­den­lange Wie­der­ho­lung bestimm­ter Rhyth­men sol­che Zustände her­vor­ge­ru­fen. Durch das beharr­li­che ,,Drin- blei­ben" ent­steht irgend­wann eine neue Qua­li­tät, die des ,,Aus-Sicht-Her­aus­ge­hens". In der Hyp­nose ist die geis­tige Selbst­kon­trolle auf­ge­ho­ben, in der Ekstase die kör­per­li­che. Die Ver­mu­tung liegt nahe, dass die so erreich­ten Hei­lungs­pro­zesse durch einen Zustand des ,,Außer-Siech-Seins" ein­ge­lei­tet wer­den. Durch gestei­ger­tes ,,Dirn-Blei­ben" fal­len geis­tige oder kör­per­li­che Kon­trol­len weg, wel­che eine Ganz­heit im Erle­ben zu ver­hin­dern ver­mö­gen (vgl. Eliade 1956). Sol­ches ganz­heit­li­ches Leben hat keine line­are, son­dern eher eine kreis­för­mige Zeit­ge­stalt. Von einem Rhyth­mus erfasst zu sein, kann einen tran­ce­ar­ti­gen Zustand her­vor­ru­fen, der die Zeit­vor­stel­lung schwin­den lässt: gren­zen­lo­ses Hier-Sein ohne Vor­her und Nach­her.

 

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