Phobien - Psychische Erkrankungen | beratung-therapie.de

Pho­bien

Ago­ra­pho­bie u.a.

 

Einleitung

 

Phobien

"Pho­bie(n), eine abnorme Furcht, die ent­we­der 1) vor einem Objekt oder einer Situa­tion besteht, die all­ge­mein nicht für angst­aus­lö­send gehal­ten wird, z. B. vor Fahr­stüh­len, Haus­tie­ren usw., oder 2) abnorm inten­siv ist vor einem Objekt oder einer Situa­tion, die auch im Nor­ma­l­fall einen gewis­sen Grad von Furcht aus­lö­sen, z. B. Ope­ra­ti­o­nen, Zahn­be­hand­lun­gen usw." (Arnold, Eysenck, Meili, 1991, S. 1628).

Klas­si­fi­ka­ti­o­nen tei­len Pho­bien ein in die vor spe­zi­fi­schen Objek­ten (z.B. Hunde oder Kat­zen), vor bestimm­ten Situa­ti­o­nen (z.B. vor Men­sche­n­an­samm­lun­gen), oder sol­che, die vor Reak­ti­o­nen auf Objekte oder Situa­ti­o­nen beste­hen (z.B. Brech­pho­bie). Pho­bien sind meis­tens beglei­tet von Angst­zu­stän­den.

Unter den Pho­bien nimmt die Ago­ra­pho­bie eine zen­trale Stel­lung ein. Sie ist die häu­figste und wohl schwerste Form der Pho­bie und ten­diert oft dazu, sich auf immer mehr Situa­ti­o­nen aus­zu­deh­nen. Die Ago­ra­pho­bie kann offene Plätze genauso wie Men­sche­n­an­samm­lun­gen oder geschlos­sene Räume betref­fen (somit bein­hal­tet sie die Klaus­tro­pho­bie). Da gehäuft Angst­an­fälle auf­tre­ten, ähnelt sie unter den Pho­bien am meis­ten der Angst­neu­rose.

Es gibt auch kör­per­be­zo­gene Pho­bien. Dazu zählt u.a. die Dys­mor­pho­pho­bie (die Angst, vor ande­ren miss­ge­stal­tet zu erschei­nen) und Krank­heits­pho­bien wie bei­spiels­weise die Kar­zi­no­pho­bie oder die AIDS-Pho­bie. Bei die­sen Pho­bien sind Angst­an­fälle sel­te­ner.

 

Allgemeine Merkmale phobischer Angst

 

Die erlebte Angst des Pho­bi­kers steht in kei­nem Ver­hält­nis zu den Anfor­de­run­gen der Situa­tion und kann nicht durch rati­o­nale Erklä­run­gen besei­tigt wer­den. Dar­über hin­aus liegt diese Angst jen­seits der Kon­trolle des Pho­bi­kers. Die Angst führt zur Ver­mei­dung der gefürch­te­ten Situa­tion oder der gefürch­te­ten Objekte.

Die Angst des Pho­bi­kers dau­ert meis­tens über lange Zeit­räume an und ist gekenn­zeich­net durch häu­fi­ges Auf­tre­ten und / oder durch extreme Angst.

 

Unterschied Phobie und Angstanfall

 

Wäh­rend sich der Pati­ent bei einem Angst­an­fall von etwas Unbe­kann­tem, Ängs­ti­gen­dem bedroht fühlt, ist die pho­bi­sche Angst an eine bestimmte ängs­ti­gende Situa­tion, einen Ort, ein Tier etc. gebun­den:

Angst vor dem Allein­sein (Mono­pho­bie), Angst in geschlos­se­nen Räu­men (Klaus­tro­pho­bie), Angst auf Stra­ßen und Plät­zen (Ago­ra­pho­bie), Angst vor bestimm­ten Tie­ren (Hunde-, Schlan­gen-, Spin­nen­pho­bie), Angst vor dem Errö­ten (Ery­thro­pho­bie), Angst in Grup­pen von Men­schen (Sozio­pho­bie) und viele andere.

Da die Angst an spe­zi­fi­sche Situa­ti­o­nen gebun­den ist, ist es mög­lich, die Angst­orte zu umge­hen (pho­bi­sche Ver­mei­dung). Diese Ver­mei­dung der spe­zi­fi­schen Situa­tion führt aber zu einer zuneh­men­den Ein­en­gung des Bewe­gungs­spiel­raums der betrof­fe­nen Per­son. "Was bleibt, ist - ähn­lich wie beim Angst­an­fall - die Angst vor der Angst, die ängst­li­che Erwar­tung des dro­hen­den Sym­ptoms" (Rudolf, 1996, S. 185).

Pho­bi­ker bauen sich ein Sicher­heits­sys­tem auf, dass aus siche­ren Orten und Sicher­heit spen­den­den Per­so­nen besteht. Bei­spiels­weise weiß der Ago­ra­phobe, der belebte Haupt­stra­ßen nur mit Mühe auf­su­chen kann, meh­rere Geschäfte, Apo­the­ken oder Arzt­pra­xen, die er im Not­fall auf­su­chen kann, wenn die Angst zunimmt.

Die Gegen­wart ver­trau­ter Men­schen wirkt meis­tens angst­min­dernd (haupt­säch­lich des Part­ners und von Kin­dern). In der Not hilft auch ein Tier (z.B. ein Hund), oder die Medi­ka­men­ten­schach­tel, die immer mit­ge­führt wird. Die Angst ver­stärkt sich, wenn der Pho­bi­ker sich von dem siche­ren Ort oder von der Sicher­heit spen­den­den Per­son ent­fernt.

Der Lei­dens­druck eines Angst­an­falls kann sehr schwer gemin­dert wer­den und führt häu­fig zu Sui­zid­ge­dan­ken, wäh­rend es sich mit einer Pho­bie leben lässt. "Der Ver­zicht auf ein nach außen gerich­te­tes Leben, die Kon­zen­tra­tion auf den enge­ren häus­li­chen Bereich und die ver­läss­li­che Prä­senz eines angst­min­dern­den Beglei­ters bil­den ein Arran­ge­ment, das u. U. zusätz­lich sekun­dä­ren Krank­heits­ge­winn bie­tet (z. B. durch die Kon­trolle über die Fami­lien­an­ge­hö­ri­gen und den eige­nen Anspruch auf Scho­nung und Rück­sicht).

 

Beispiel

 

"Eine Pati­en­tin hat eine Zahn­a­rzt­pho­bie von sol­chen Aus­ma­ßen ent­wi­ckelt, dass es ihr über viele Jahre hin­weg unmög­lich ist, ihre Zähne behan­deln zu las­sen. Das Sym­ptom war sehr viel­schich­tig deter­mi­niert: Im Vor­der­grund stand ein Schamt­hema ("Wenn ich den Mund auf­ma­che, sieht der Zahn­a­rzt, wie schlecht ich beschaf­fen bin"). Darin ist frei­lich auch eine Näheangst ent­hal­ten ("Wenn jemand mir nahe kommt"), aber auch die Angst vor der eige­nen ora­len Aggres­si­vi­tät ("Wenn ich den Mund auf­ma­che"); ebenso ängs­ti­gend war das Sich-Aus­lie­fern im Zahn­a­rzt­stuhl ("Wenn der mich umkippt"), also die Angst vor einer ero­tisch getön­ten Hin­gabe, ver­bun­den mit der Angst vor dem Mann, der mit dem Boh­rer in sie ein­dringt und ihr Schmer­zen zufügt, die Angst vor der phal­li­schen Akti­vi­tät des Man­nes, eine Angst, die ange­sichts der eige­nen aggres­si­ven Wehr­lo­sig­keit und in ihrem Erle­ben ihrer "man­gel­haf­ten" (nicht-männ­li­chen) Ausstat­tung ver­stärkt wurde. Die Bei­spiele lie­ßen sich ver­meh­ren, sie zei­gen, wie viele kon­flikt­hafte The­men an der Sym­ptom­bil­dung betei­ligt sein kön­nen" (Rudolf, 1996, S. 187).

 

Mögliche Ursachen

 

"Angst ist phy­sio­lo­gisch ein Pro­blem der Akti­vie­rung, die nicht abklingt oder erlischt, son­dern gebahnt wird (auf geringe Reize hin wie­der anspricht) bzw. zu einem Dau­e­r­zu­stand wird" (Rudolf, 1996, S. 186).

Leicht zu ver­ste­hen ist das psy­cho­ana­ly­ti­sche Grund­kon­zept: Angst (z.B. Angst vor Ver­lust der gelieb­ten Per­son) führt zu Ver­drän­gung (z.B. von eige­nen schlech­ten Impul­sen, die die Per­son ver­an­las­sen könn­ten, sich abzu­wen­den). Wird die Ver­drän­gung gelo­ckert und die ver­dräng­ten Impulse tau­chen wie­der auf, taucht das dazu­ge­hö­rige Gefühl der Angst auch wie­der auf.

In die­sem Zusam­men­hang sind unter­schied­li­che Ängste mög­lich: Die Angst vor der eige­nen Trieb­haf­tig­keit oder die Angst vor Kon­troll­ver­lust, Angst vor dem eige­nen Gewis­sen, Angst, die Liebe der Bezugs­per­son zu ver­lie­ren und die Angst von der Bezugs­per­son, die einen ent­täuscht hat, bestraft, ver­folgt oder beschä­digt zu wer­den. Weit­ge­hend sind diese Ängste unbe­wusst und las­sen sich im the­ra­peu­ti­schen Pro­zess erschlie­ßen. Dabei haben diese Ängste kei­nen Sym­ptom­cha­rak­ter, son­dern sind Bestand­teil psy­chi­scher Mecha­nis­men zur Regu­la­tion. Wird die Angst zum bewusst erleb­ten Sym­ptom, hat die­ser Regu­la­ti­ons­me­cha­nis­mus ver­sagt.

"Bei der Ent­ste­hung von Angst­sym­pto­men gelingt es, die Vor­stel­lungs­in­halte der Bedürf­nisse wei­ter­hin bei­seite zu hal­ten, wäh­rend die Erre­gungs­an­teile in das Bewusst­sein drin­gen. Der Betref­fende spürt, dass etwas andrängt, aber er weiß nicht genau, was es ist. Angst ent­steht also unter dem Druck des Unge­leb­ten, der nicht rea­li­sier­ten und erprob­ten Mög­lich­kei­ten. Wenn diese Mög­lich­kei­ten gelebt wür­den, bräch­ten sie Risi­ken, Ver­än­de­run­gen, Gefähr­dung des Ver­trau­ten, Unruhe und Umo­ri­en­tie­rung im eige­nen Leben und in der Bezie­hung zu ande­ren Men­schen. Sie bedeu­ten damit eine große Beun­ru­hi­gung spe­zi­ell für sol­che Men­schen, die sich auf Sicher­heit und Risi­ko­frei­heit ange­wie­sen füh­len und die unbe­wusst auf die Befrie­di­gung regres­si­ver Wün­sche (nach Sicher­heit, Gebor­gen­heit, sym­bi­o­ti­scher Bezie­hung) aus­ge­rich­tet sind" (a.a.O., S. 186-187).

Fest­zu­stel­len ist also ein Kon­flikt zwi­schen dem Wunsch nach Auto­no­mie und dem Wunsch nach Abhän­gig­keit bzw. Gebor­gen­heit. Das Sym­ptom der Angst stellt einen Kom­pro­miss in dem Kon­flikt zwi­schen Auto­no­mie und Abhän­gig­keit dar. Die erregte Seite äußert sich in der kör­per­li­chen Erre­gung, die bei Angst auf­tritt, und die ängs­ti­gen­den Phan­tasien äußern sich in den Befürch­tun­gen.

Bei der Sym­ptom­bil­dung der Pho­bie ist das Zusam­men­spiel der ver­schie­de­nen Fak­to­ren noch kom­pli­zier­ter: "Die Angst­si­tua­tion (Straße, Zim­mer, Hund, Schlange usw.) wird als Pro­jek­ti­ons­ort für die ver­dräng­ten Regun­gen genom­men (z. B. die oral-aggres­si­ven Impulse bei­der Hun­de­pho­bie oder die Weg­lau­fim­pulse bei der Stra­ßen­angst). Das Angst­thema sitzt nun nicht mehr innen, son­dern außen und kann dort ver­mie­den wer­den. Aller­dings ist die Angst­si­tua­tion (die Straße, der Hund, die Spinne usw.) sym­bo­lisch über­de­ter­mi­niert, so dass ein­fa­che Ent­sch­lüs­se­lun­gen (Hund = Aggres­sion) sich ver­bie­ten" (a.a.O., S. 187).

 
 

Mehr Lite­ra­tur­emp­feh­lun­gen zum Thema Krank­heits­bil­der

Zu den Lite­ra­tur­tipps

 
Dipl.-Psych. Volker Drewes
beratung-therapie.de wird beraten durch Dipl.-Psych. Volker Drewes
Psychotherapie-Anfrage Berlin
Therapieplatz-Anfrage: 030/236 386 07

Dipl.-Psych. Volker Drewes
Kollwitzstr. 41
10405 Berlin

business@beratung-therapie.de

Über www.beratung-therapie.de

  • Psychologische Beratung
  • Psychologische Artikel
  • Psychologische Tests
  • Premium-Lernprogramme