Hysterie - Psychische Erkrankungen | beratung-therapie.de

Hys­te­rie - Kon­ver­si­ons­s­tö­rung

Sym­pto­ma­tik und mög­li­che Ursa­chen

 

Hysterie

 

Begriffsbildung der Hysterie

 

Der Begriff der Hys­te­rie hat mit der Zeit einen sol­chen Wan­del durch­ge­macht, wie kaum ein ande­rer Begriff aus der psy­cho­lo­gi­schen Krank­heits­lehre. "Hys­tera" heißt Gebär­mut­ter, und im anti­ken Grie­chen­land wurde die Bil­dung hys­te­ri­scher Sym­ptome auf die Wan­der­schaft der Gebär­mut­ter zurück­ge­führt. (Die Gebär­mut­ter wurde als eine Art "Tier" auf­ge­fasst, das in ver­schie­dene Organe wan­dern könne und von dort die Sym­ptome ver­ur­sa­che. Besänf­tigt und an sei­nen Platz zurück­ge­bracht wer­den konnte die­ses Tier durch Geschlechts­ver­kehr und Schwan­ger­schaft.)

Hip­po­kra­tes sah dann die Ursa­che der Hys­te­rie in einer Erkran­kung der Gebär­mut­ter, und Galen führte die Hys­te­rie auf einen Sekret­stau im Ute­rus zurück, der sich durch Geschlechts­ver­kehr hei­len lasse. Einige Aspekte blie­ben über Jahr­tau­sende erhal­ten, wie die ein­stim­mige Mei­nung der männ­li­chen Wis­sen­schaft­ler, daß es sich um eine Frau­en­krank­heit, die mit Sexu­a­li­tät zu tun habe, handle.

Ent­spre­chend waren auch die Heil­me­tho­den: Galen for­derte die sexu­elle Befrie­di­gung der Frau als Heil­mit­tel, wäh­rend in der christ­lich bestimm­ten mit­tel­al­ter­li­chen Medi­zin die Aus­trei­bung des Sexu­el­len aus dem Kör­per der Frau als Mit­tel gegen die hys­te­ri­schen Sym­ptome gese­hen wurde.

Zwi­schen 1700 und 1850 wurde die Hys­te­rie durch ein neu­ro­lo­gisch beding­tes Ner­ven­lei­den erklärt. Psy­cho­lo­gi­sche Fak­to­ren wur­den nun als Aus­lö­ser akzep­tiert. 1895 ver­öf­fent­lich­ten Freud und Breuer ihre "Stu­dien zur Hys­te­rie" und klär­ten erst­mals über die psy­chi­sche Ent­wick­lung und die psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Behan­del­bar­keit hys­te­ri­scher Sym­ptome auf.

Heute spricht man nicht mehr von der Hys­te­rie als einem ein­heit­li­chen Krank­heits­bild. Man spricht vom hys­te­ri­schen Syn­drom.

"Hys­te­rie beschreibt eine bestimmte Abwehr­for­ma­tion, nicht die Ein­heit von spe­zi­fi­schen, gene­tisch ableit­ba­ren psy­chi­schen Kon­flik­ten und bestimm­ten Ver­a­r­bei­tungs­for­men" (Rudolf, 1996, S.197). Es han­delt sich dabei um eine bestimmte Form des Selbst, auf Belas­tun­gen in ver­schie­de­nen Ent­wick­lungs­pha­sen zu rea­gie­ren und wird von Frauen wie von Män­nern ein­ge­setzt.

 

Die hysterische Symptomatik

 

Ein auf­fäl­li­ges Merk­mal ist die schau­spie­ler­ar­tige Ver­hal­tens­weise (im Sinne von auf­ge­bauscht, über­trie­ben und geküns­telt). Sol­che Men­schen sind auf ein Publi­kum ange­wie­sen und in beson­de­rem Maße extro­ver­tiert. Par­al­lel zu die­ser "beson­de­ren Emo­ti­o­na­li­tät" steht eine gefühls­mä­ßige Uner­reich­bar­keit.

Bei den hys­te­ri­schen Sym­ptom­bil­dun­gen wer­den zwei Sym­ptom­grup­pen unter­schie­den:

 

1. Die Konversionsstörungen

 

"Das Modell der Kon­ver­sion (Kon­ver­sion = Umwand­lung unbe­wäl­tig­ter star­ker Erleb­nisse in kör­per­li­che Sym­ptome) ist ein bedeut­sa­mes Kon­zept des leib-see­li­schen Zusam­men­spiels in der Psy­cho­so­ma­tik. See­li­sche Inhalte wer­den in der Kon­ver­sion ver­drängt, auf den Kör­per ver­scho­ben und mit Hilfe kör­per­li­cher Sym­ptome gleich­sam kör­per­sprach­lich zum Aus­druck gebracht. Kon­ver­si­ons­s­tö­run­gen sind also - in den Wor­ten Th. von Uex­külls - typi­sche "Aus­drucks­krank­hei­ten" ( von Uex­küll 1963)" (Rudolf, 1996, S. 198).

Die Psy­cho­ana­lyse deckte den Flucht­cha­rak­ter der hys­te­ri­schen Sym­ptome auf: Kon­ver­si­ons­sym­ptome kön­nen als unbe­wusste Flucht in die Krank­heit auf­ge­fasst wer­den. Doch als der psy­chi­sche Ursprung die­ser Krank­heit in das all­ge­meine Bewusst­sein getre­ten war, ver­stellte dies gleich­sam den Flucht­weg. Dies erzwang, dass auch andere Organ­krank­hei­ten "imi­tiert" wur­den, und durch die zuneh­mende Bedeu­tung see­li­scher Erkran­kun­gen wur­den von hys­te­ri­schen Pati­en­ten auch see­li­sche Krank­heits­bil­der imi­tiert. Dadurch hat sich die Bedeu­tung des zwei­ten Sym­ptom­kom­ple­xes, der dis­so­zia­ti­ven Stö­run­gen, gestei­gert.

 

2. Die dissoziativen Störungen

 

Wäh­rend Kon­ver­si­ons­s­tö­run­gen Stö­run­gen der Bewe­gungs- und Sin­nes­emp­fin­dung beschrei­ben, sind mit dis­so­zia­ti­ven Stö­run­gen Stö­run­gen der Bewusst­seins­funk­ti­o­nen gemeint. Dis­so­zia­tion bezeich­net den teil­wei­sen oder völ­li­gen Ver­lust der nor­ma­len Inte­gra­tion von Erin­ne­run­gen an die Ver­gan­gen­heit, Bewusst­sein der eige­nen Iden­ti­tät, der unmit­tel­ba­ren Emp­fin­dun­gen, sowie auch der Kon­trolle der Kör­per­be­we­gun­gen. Es kann z.B. die Erin­ne­rung an belas­tende aktu­elle Ereig­nisse ver­sagt sein (dis­so­zia­tive Amne­sie). Trance- oder Däm­mer­zu­stände kön­nen sich so aus­wei­ten, dass der Ein­druck ent­steht, es wür­den meh­rere Ichs neben­ein­an­der exis­tie­ren, die im Bewusst­sein des Men­schen völ­lig getrennt sind.

Die Fähig­keit zur bewuss­ten Kon­trolle ist in einem Aus­maß gestört, die von Tag zu Tag aber auch von Stunde zu Stunde wech­seln kann.

 

Mögliche Ursachen

 

1. Entwicklung

 

Zurück­grei­fend auf die Erfah­run­gen der Psy­cho­ana­lyse liegt der Ansatz zu einer mög­li­chen Ent­wick­lung einer hys­te­ri­schen Stö­rung um das 4. bis 6. Lebens­jahr. Das Kind erlangt immer aus­ge­reif­tere Fähig­kei­ten und hat wich­tige Ent­wick­lungs­schritte zu voll­zie­hen. Auf der ande­ren Seite sieht das Kind sich auch mit immer mehr Auf­ga­ben und For­de­run­gen kon­fron­tiert. Es soll in die Welt der Erwach­se­nen hin­ein­wach­sen und ihre Spiel­re­geln ken­nen ler­nen. So erlebt das Kind auch immer stär­kere Gren­zen des eige­nen Wol­lens und Kön­nens.

Sol­len diese Rei­fungs­schritte gelin­gen, braucht das Kind über­zeu­gende Vor­bil­der, die ihm die Welt um sich herum als reiz­voll und ihre Ziele als erstre­bens­wert erschei­nen las­sen.

Um seine kind­li­chen Ver­hal­tens­wei­sen auf­ge­ben zu wol­len, müs­sen die Eltern dem Kind etwas prä­sen­tie­ren, für das es seine kind­li­che Welt dage­gen ein­zu­t­au­schen bereit ist. Es muss sich mit ihnen iden­ti­fi­zie­ren kön­nen. "Es muss Erleb­nisse alters­ge­mä­ßen Kön­nens und geschlechts­s­pe­zi­fi­scher Bestä­ti­gung haben, damit ihm das Bewäl­ti­gen der neuen Auf­ga­ben Freude macht, es mit Stolz und gesun­dem Selbst­wert­ge­fühl erfüllt" (Rie­mann, 1997, S. 175).

 

2. Störungspotential

 

Der hys­te­ri­schen Per­sön­lich­keit hat es gerade in der Zeit, in der Leit­bil­der am wich­tigs­ten sind, genau daran gefehlt. Man stelle sich ein chao­ti­sches Milieu vor, in dem heute belohnt, was mor­gen bestraft wird. Vor allen Din­gen ein Umfeld, das chao­tisch, wider­spruchs­voll und unver­ständ­lich (keine Frage nach warum) ist, keine Füh­rung oder Leit­bil­der für das Kind hat, geben dem Kind zu wenig Ori­en­tie­rung und Halt. Es zieht vor, Kind zu blei­ben.

Begüns­ti­gend ist ebenso, wenn ein Kind in so genann­ten bes­se­ren Krei­sen auf­wächst, in denen gesell­schaft­li­ches Pres­tige wich­ti­ger ist als die Kin­der selbst.

"Sind die Eltern zu wenig wirk­li­che Vor­bil­der für das Kind, blei­ben ihm nur zwei Mög­lich­kei­ten offen. Ent­we­der, es iden­ti­fi­ziert sich trotz­dem mit ihnen und ihren Schein­wer­ten, oder es nimmt die Eltern nicht mehr ernst, fühlt sich dann aber völ­lig ver­las­sen" (Rie­mann, 1997, S. 178).

"Das zen­trale Pro­blem hys­te­ri­scher Per­sön­lich­kei­ten ist also, dass sie die Iden­ti­tät mit sich selbst nicht gefun­den haben. Ent­we­der fin­den sie aus der Iden­ti­fi­ka­tion mit den Vor­bil­dern ihrer Kind­heit nicht her­aus, oder sie blei­ben in der Rebel­lion gegen diese ste­cken, oder sie über­neh­men sons­tige ihnen auf­ge­drängte oder sich anbie­tende Rol­len" (a.a.O., S. 181).

Doch ihre all­ge­meine Unzu­frie­den­heit mit dem Leben macht sie hung­rig nach Rei­zen. Sie sind immer auf der Suche nach neuen Rei­zen, die ihnen das Erhoffte brin­gen kön­nen. Der Ansatz der Gesun­dung liegt in der Erkennt­nis, dass das, was sie suchen in ihnen sel­ber liegt.

 

3. Die Psychodynamik hysterischer Störungen

 

Hier wird die hys­te­ri­sche Stö­rung als eine bestimmte Abwehr­leis­tung auf­ge­fasst. Die Beson­der­heit der Stö­rung muss bei jeder Per­son im Ein­zel­fall neu bestimmt wer­den.

"Krohn (1979, 158) spricht vom "myth of pas­si­vity" und meint damit, dass der hys­te­ri­sche Pati­ent sowohl intra­psy­chisch wie auch inter­per­so­nal "ver­sucht, sich im wei­tes­ten Sinne des Wor­tes der Ver­ant­wor­tung für seine Gedan­ken, Hand­lun­gen und Impulse zu ent­le­di­gen"." (RUDOLF/ S. 200)

Die abge­lehn­ten Impulse wer­den ver­drängt und in einen Bereich hin­ein­ver­scho­ben, für die der Kranke keine Ver­ant­wor­tung mehr tra­gen muss. Sie wer­den ent­we­der auf den Kör­per über­tra­gen, oder durch die Per­sön­lich­keits- oder Bewusst­seins­s­pal­tung ent­frem­det oder durch geküns­tel­tes Ver­hal­ten über­spielt.

Das hys­te­ri­sche Ver­hal­ten bil­det einen Kom­pro­miss: Die Wün­sche wer­den ver­steckt zum Aus­druck gebracht und befrie­digt.

 

4. Behandlungsmöglichkeiten

 

Eine Psy­cho­the­ra­pie kann nicht ein­fach sche­ma­tisch durch­ge­führt wer­den, wenn eine hys­te­ri­sche Stö­rung dia­gnos­ti­ziert wird.

"Wich­ti­ger als sol­che glo­ba­len Hin­weise zur Psy­cho­the­ra­pi­ein­di­ka­tion sind Hin­weise dar­auf, wie mit der hys­te­ri­schen Abwehr im Rah­men der ver­schie­de­nen psy­cho­ana­ly­ti­schen The­ra­pie­set­tings umge­gan­gen wer­den soll. Zen­tral ist im Umgang mit hys­te­ri­schen Pati­en­ten sicher­lich, die "uner­hörte Bot­schaft der Hys­te­rie" (Israel 1983) rich­tig zu ent­sch­lüs­seln, d.h. das Bezie­hungs­an­ge­bot im hys­te­ri­schen Agie­ren rich­tig zu ver­ste­hen." (RUDOLF/ S. 201)

 
 

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Dipl.-Psych. Volker Drewes
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