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Krankheitsbilder

Psy­chose - Schi­zo­phre­nie - manisch-depres­sive Stö­rung

Ent­wick­lung - Sym­pto­ma­tik - The­ra­pie

 

Psychose Schizophrenie

 

INHALT

 
 

Was ist eine Psychose? Entwicklung des Begriffs

 

Mit dem Auf­tre­ten des Aus­drucks "Psy­chose" im 19. Jahr­hun­dert begann eine Ent­wick­lung, die in der Grün­dung eines eige­nen Gebie­tes see­li­scher Erkran­kun­gen endete. Im Laufe des 19. Jahr­hun­derts fand der Psy­chose-Begriff mehr und mehr Ein­gang in die deutsch­spra­chige psych­ia­tri­sche Lite­ra­tur, um see­li­sche Erkran­kun­gen im all­ge­mei­nen zu bezeich­nen. Erst Ende des 19. Jahr­hun­derts bil­det sich als Aus­druck das gegen­sätz­li­che Paar "Neu­rose-Psy­chose".

Psy­chose bezeich­nete die See­len­krank­heit, die Neu­rose hin­ge­gen eine Stö­rung des Ner­ven­sys­tems, von denen sich nur bestimmte in den Sym­pto­men einer Psy­chose aus­drü­cken kön­nen (Jede Psy­chose ist gleich­zei­tig eine Neu­rose, da keine Stö­rung des Psy­chi­schen ohne die Ver­bin­dung mit dem Ner­ven­sys­tem zum Aus­druck kommt).

Bereits in Freuds ers­ten Arbei­ten fin­det sich eine gut begrün­dete Unter­schei­dung zwi­schen Neu­rose und Psy­chose. Freud fasste in einem Manu­skript von 1894 die hal­lu­zi­na­to­ri­sche Ver­wor­ren­heit, die Para­noia und die hys­te­ri­sche Psy­chose, unter den Begriff der Psy­chose (dar­über hin­aus ging es Freud darum, den Abwehr­be­griff zu eta­blie­ren und die ver­schie­de­nen For­men der Abwehr her­aus­zu­a­r­bei­ten, die den ver­schie­de­nen Stö­run­gen zugrunde lie­gen).

Die moderne Schule der Psych­ia­trie ist sich wei­test­ge­hend einig dar­über, was zur Psy­chose und was zur Neu­rose gehört.

"In den geläu­fi­gen Defi­ni­ti­o­nen [der Psy­chose] fin­det man oft neben­ein­an­der Kri­te­rien wie die Unfä­hig­keit zu sozi­a­ler Anpas­sung (Pro­blem der Hos­pi­ta­li­sie­rung), den Schwe­re­grad der Sym­ptome, die Stö­rung der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keit, die feh­lende Ein­sicht in den krank­haf­ten Zustand, den Ver­lust des Kon­tak­tes mit der Rea­li­tät, den Cha­rak­ter des nicht (nach einem Aus­druck von Jas­pers) von Stö­run­gen, den orga­ni­schen oder psy­cho­ge­ne­ti­schen Deter­mi­nis­mus, mehr oder weni­ger tiefe und irre­ver­si­ble Ver­än­de­run­gen des Ichs" (Laplan­che/ Pon­ta­lis, 1998, S. 415).

Die zwei häu­figs­ten For­men der Psy­chose sind einer­seits die Schi­zo­phre­nie und ande­rer­seits die Manisch-depres­sive Stö­rung.

 

Premiumtext: Psychosen - Affektive Störungen/ Psychosen und Schizophrenie

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Definition der Psychose: (nach Pschyrembel 256. Auflage 1990) sog. Geisteskrankheit, synonym psychotische Störungen (DSM III); allgemeine Bezeichnung für psychische Störungen mit strukturellem Wandel des Erlebens.

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Schizophrenie

 

1896 prägte Krae­pe­lin den Sam­mel­be­griff "Demen­tia prae­cox" für eine Reihe von psy­chi­schen Stö­run­gen. Er beschrieb den unauf­halt­sa­men Ver­lauf der Krank­heit in Schü­ben und betonte die fort­s­chrei­tende "Ver­blö­dung" als eines der auf­fäl­ligs­ten Merk­male.

Bleu­ler führte 1911 den Begriff "Schi­zo­phre­nie" ein. Für ihn stand die Beob­ach­tung im Vor­der­grund, "dass Menschen zunehmend zersplittern und zerfahren können. Er sprach daher von >Spal­tungs­ir­re­sein<, was die Übersetzung von >Schi­zo­phre­nie< ist" (Dör­ner/ Plog, 1980, S. 101).

"In psych­ia­tri­schen Kran­ken­häu­sern ste­hen die Pati­en­ten mit der Dia­gnose Schi­zo­phre­nie an zwei­ter Stelle der Erst­auf­nah­men mit 20-25%. Gleich­zei­tig sind mehr als die Hälfte der chro­nisch hos­pi­ta­li­sier­ten Pati­en­ten sol­che, die ursprüng­lich die Dia­gnose Schi­zo­phre­nie erhal­ten haben" (Dör­ner/ Plog, 1980, S. 116). Durch den Ein­satz von Psy­cho­phar­maka in der The­ra­pie hat sich die Dauer des Kli­ni­k­auf­ent­hal­tes von schi­zo­phre­nen Pati­en­ten deut­lich ver­kürzt.

Die Häu­fig­keit einer schi­zo­phre­nen Stö­rung bei Erwach­se­nen beträgt 0,25% der Bevöl­ke­rung pro Jahr (Zahl von 1980). Durch­schnitt­lich sind circa 0,3% der Bevöl­ke­rung wegen der Dia­gnose Schi­zo­phre­nie in Behand­lung.

Ins­ge­samt ver­stär­ken sich die Sym­ptome bei circa 1-2% der Bevöl­ke­rung an einem Punkt ihres Lebens so, dass sie sich des­we­gen in psych­ia­tri­sche Behand­lung bege­ben müs­sen. Dies tritt am häu­figs­ten im Alter zwi­schen 20 und 45 Jah­ren auf.

 

Symptome der Schizophrenie

 

Seit 1900 hat sich die Psych­ia­trie welt­weit dar­auf geei­nigt, dass fol­gende Sym­ptome zu beob­ach­ten sein müs­sen, um den Ver­dacht auf Schi­zo­phre­nie zu erhär­ten:

  1. Die Gren­zen zwi­schen der eige­nen Per­son und den ande­ren sind nicht mehr klar. Der Mensch kann nicht mehr genau sagen, wer er ist und hat das Gefühl, von jemand ande­rem, der in ihm steckt, beein­flusst zu wer­den. Eigene Gedan­ken und Gefühle kön­nen schwer von den "frem­den" Gedan­ken abge­grenzt wer­den, und häu­fig ent­steht der Ein­druck, dass die eige­nen Gedan­ken abge­zo­gen wer­den. Der Pati­ent fühlt sich von außen bedroht und die­sen Bedro­hun­gen hilf­los aus­ge­lie­fert.

    Eine sol­che Sym­pto­ma­tik weist auf eine so genannte Ich-Stö­rung hin und auf eine zugrunde lie­gende Per­sön­lich­keits­s­tö­rung (d.h. der Mensch kann sich nicht mehr als Per­son mit eige­ner Iden­ti­tät wahr­neh­men). Die Stö­rung des sozi­a­len Kon­tak­tes wird auch häu­fig als Kon­takt­stö­rung bezeich­net.

  2. Es tre­ten Wahr­neh­mungs­stö­run­gen auf. Es wer­den Dinge als zusam­men­ge­hö­rig emp­fun­den, die nicht zusam­men­ge­hö­ren, und andere Dinge wer­den als zur eige­nen Per­son zuge­hö­rig emp­fun­den, obwohl sie es nicht sind. Auf­fäl­lig ist auch, dass häu­fig Wesent­li­ches von Unwe­sent­li­chem nicht mehr unter­schie­den wer­den kann. Unwe­sent­li­che Dinge kön­nen eine zen­trale Bedeu­tung erhal­ten, z.B. bestimmte Geräu­sche wer­den in der Weise bedeu­tungs­voll, dass sie sich von ihnen ange­spro­chen, beob­ach­tet oder bedroht füh­len. Häu­fig haben sie auch das Gefühl, der Mit­tel­punkt der Wahr­neh­mung ande­rer zu sein.

    Manch­mal wird auch davon berich­tet, dass die Umwelt, andere Men­schen, Zeit, Raum, der eigene Kör­per als fremd, ver­zerrt, ver­än­dert oder nur sche­ma­tisch wahr­ge­nom­men wird. Diese Gefühle der Ver­frem­dung bezeich­net man als Dere­a­li­sa­tion (Ver­frem­dung der Umwelt) oder Deper­so­na­li­sa­tion (Ver­frem­dung der eige­nen Per­son).

    Dar­über hin­aus kön­nen auch akus­ti­sche (z.B. Stim­men hören, die nicht da sind) und hap­ti­sche (fühlt sich berührt, obwohl ihn nie­mand anfasst) Hal­lu­zi­na­ti­o­nen und fer­ner auch opti­sche und Geruchs­hal­lu­zi­na­ti­o­nen auf­tre­ten.

  3. Zu bemer­ken sind Stö­run­gen der Denkab­läufe. Hier kann Wich­ti­ges von Unwich­ti­gem nicht aus­ein­an­der gehal­ten wer­den. Das Den­ken wirkt auf den Beob­ach­ter unlo­gisch und zusam­men­hangs­los, wobei auch oft Gedan­ken ein­fach weg sind oder Gedan­ken­sprünge fest­zu­stel­len sind. Oft kön­nen sie sich auch nicht ent­schei­den, wel­chen Gedan­ken sie zuerst aus­spre­chen sol­len. Es kommt zu ver­schach­tel­ten Sät­zen und Gedan­ke­n­ab­läu­fen, und oft wer­den Worte im dop­pel­deu­ti­gen Sinn ver­wen­det. Dies sind die so genann­ten for­ma­len Denk­stö­run­gen.

    Stö­run­gen inhalt­li­cher Art sind Wahn­vor­stel­lun­gen. Sie schaf­fen dem Pati­en­ten Ori­en­tie­rung in der Außen­welt und befrie­di­gen innere Bedürf­nisse. Der Wahn hat die Funk­tion des Aus­drucks von nicht zuge­stan­de­nen Wün­schen und Bedürf­nis­sen und dient der Abwehr von Kon­flik­ten.

    Häu­fige Erschei­nungs­for­men des Wahns sind der Ver­fol­gungs­wahn, der Beein­flus­sungs- und Bezie­hungs­wahn, bei denen die Pati­en­ten sich beob­ach­tet füh­len oder den­ken, unter dem Ein­fluss frem­der Kräfte zu ste­hen, die sie zu unmo­ra­li­schen und unso­zi­a­len Hand­lun­gen zwin­gen.

  4. Die Gefühle und die gefühls­mä­ßi­gen Bezie­hun­gen zur Umwelt sind gestört. Die Gefühle der Pati­en­ten sind flach, d.h. sie sind nicht nur in der Inten­si­tät des Aus­drucks ver­min­dert, sie schei­nen auch an Gefüh­len ver­armt zu sein. Oft stim­men auch Mimik und Ges­tik nicht mit dem, was über Gefühle geäu­ßert wird, über­ein, oder sie pas­sen nicht zur Situa­tion.

    Dar­über hin­aus haben schi­zo­phrene Men­schen oft nur wenig Bezie­hun­gen zu ande­ren Men­schen und schei­nen bin­dungs­un­fä­hig. Häu­fig haben sie zu einer bestimm­ten Per­son (häu­fig die Mut­ter oder der Bezie­hungs­part­ner, d.h. eine nahe ste­hende Per­son) ein zwie­späl­ti­ges Ver­hält­nis. Sie sind an diese ihnen nahe ste­hende Per­son auf der einen Seite extrem gebun­den, auf der ande­ren Seite wir­ken sie dann wie­der inter­es­se­los.

    Sie sind unent­schlos­sen, und ihre Gleich­zei­tig­keit von Wol­len und Nicht-Wol­len kann aus­ge­spro­chen apa­thisch wir­ken. Fühlt der Pati­ent sich bedroht, über­wie­gen Erre­gung, Span­nung und Angst.

    Bei Pati­en­ten mit der Dia­gnose Schi­zo­phre­nie sind die unter­schied­li­chen Merk­male indi­vi­du­ell ver­schie­den aus­ge­prägt.

 
 

Entstehung der Schizophrenie

 

Es gibt einige Ver­su­che psy­cho­dy­na­misch ori­en­tier­ter The­ra­peu­ten, die Ent­ste­hung einer schi­zo­phre­nen Stö­rung zu erklä­ren. Mög­li­che Hypo­the­sen sind fol­gende:

  1. Das Ich zieht sich vor Bewusst­seins­in­hal­ten zurück, die es nicht ver­kraf­ten kann. Die belas­ten­den Inhalte blei­ben zwar im Bewusst­sein, wer­den aber von der eige­nen Per­son abge­spal­ten. Gedan­ken und Gefühle schei­nen so nicht von einem selbst her­vor­ge­bracht, son­dern von einer fast magisch zu nen­nen­den Kraft.
  2. Aus Hass gegen eine andere Per­son wird, da die­ser Hass nicht tole­riert wer­den kann, wahn­haft die Umkeh­rung gemacht (d.h. aus "Ich hasse den ande­ren" wird "Der andere hasst mich"). Diese Umkehr ver­min­dert die eige­nen Schuld­ge­fühle, da die Gefühls­re­gun­gen, die man bei sich sel­ber nicht akzep­tie­ren kann, nun schein­bar von außen kom­men und bekämpft wer­den kön­nen.
  3. Der Mensch mit einem schwa­chen Selbst­be­wusst­sein iden­ti­fi­ziert sich, um von Schuld frei zu sein, mit Figu­ren, die über jeg­li­che Schuld erha­ben sind. Er kann nur noch schwer sich selbst leben und ent­zieht sich außer­dem der per­sön­li­chen Ver­ant­wor­tung (z.B. die Iden­ti­fi­ka­tion mit Jesus oder einem ande­ren Heils­brin­ger macht ihn unan­greif­bar).

 

Sicht der Familienforschung

 

Ein wesent­li­cher Bei­trag zur Ent­ste­hung und Ent­wick­lung schi­zo­phre­ner Stö­run­gen wurde durch das Stu­dium der Fami­li­en­um­welt der als schi­zo­phren dia­gnos­ti­zier­ten Pati­en­ten gewon­nen. "Es konnte fest­ge­stellt wer­den, dass Müt­ter sol­cher Pati­en­ten in ein­heit­lich beschreib­ba­rer Weise mit ihren Kin­dern umge­hen: es fehlt eine herz­li­che Wir-Bezie­hung zwi­schen Mut­ter und Kind. Die Mut­ter ist unzu­gäng­lich für das, was das Kind aus­drü­cken möchte. Sie drängt sich auf und mischt sich ein (spal­tet, treibt einen Keil dazwi­schen). Es besteht ein Zwie­spalt zwi­schen sprach­lich und gefühls­mä­ßig Ver­mit­tel­tem, die Mut­ter liebt ihr Kind gleich­zei­tig und hasst es gleich­zei­tig, d.h., das Kind, das bei­des wahr­nimmt, näm­lich "Ich werde abge­lehnt und ich werde geliebt" (, weiss nicht (rea­giert gespal­ten), wie es auf die Mut­ter ein­ge­hen soll (Dou­ble-Bind-The­o­rie)" Dör­ner/ Plog, 1980, S. 119).

Ein wei­te­res Ergeb­nis der Fami­li­en­for­schung ist, dass in den Fami­lien schi­zo­phre­ner Pati­en­ten keine ein­deu­tige Rol­len­struk­tur zu fin­den ist. Die Kin­der und Her­an­wach­sen­den wis­sen häu­fig nicht, mit was sie sich an wen wen­den kön­nen. Dar­über hin­aus sind die Fami­lien in zwei Teile mit wech­sel­sei­ti­ger Abwer­tung und Beschimp­fung gespal­ten, so dass den Kin­dern die Mög­lich­keit zur Iden­ti­fi­ka­tion genom­men ist.

Es resul­tiert die Annahme, dass eine fun­da­men­tale Stö­rung des Zusam­men­le­bens der Fami­lie die Vor­aus­set­zung für eine lang­same oder explo­si­ons­ar­tige Spal­tung ist.

 

Beiträge der soziologischen Forschung

 

Eine wesent­li­che Erkennt­nis der sozio­lo­gi­schen For­schung ist, dass schi­zo­phrene Erkran­kun­gen in den unters­ten Sozi­al­schich­ten häu­fi­ger als in den übri­gen Sozi­al­schich­ten vor­kom­men.

Mög­li­che Erklä­run­gen dafür sind:

  1. Es han­delt sich um eine Stö­rung als Folge der sozi­a­len Ungleich­heit. Die stän­dige Belas­tung, das Unter­pri­vi­le­giert­sein, die Per­spek­tiv­lo­sig­keit und die man­geln­den Mög­lich­kei­ten sozi­a­ler Teil­habe, füh­ren zu einer schnel­le­ren und ein­deu­ti­ge­ren Spal­tung (Stress- und strain-Hypo­these).
  2. Schi­zo­phren Erkrankte wer­den "an den Boden der Gesell­schaft" gespült und sacken ab (Drift-Hypo­these).
  3. Nach Aus­bre­chen und Ver­dich­tung der schi­zo­phre­nen Sym­ptome kom­men Ver­sa­gen­ser­leb­nisse in Schule, Aus­bil­dung und Beruf dazu und ver­hin­dern das Errei­chen eines höhe­ren Sta­tus (Neon-Star­ter-Hypo­these). Erlebte Zurück­wei­sun­gen bei der Part­ner­wahl und in der Ver­wandt­schaft ver­min­dern dar­über hin­aus die Moti­va­tion, sich anzu­stren­gen, die Krank­heit zu über­win­den.

Eine wei­tere Erkennt­nis ist, dass bei Men­schen, die in Stadt­ker­nen leben, die schi­zo­phre­nen Anteile offe­ner her­vor­tre­ten als bei Men­schen in Vor­städ­ten.

"Umwelt beein­flusst die Wahr­neh­mung enorm, und es ist auch zu ver­mu­ten, dass dort, wo in der Umwelt das Gemüt nicht mehr ange­spro­chen wird, die Wider­sprü­che einer Indus­trie­ge­sell­schaft beson­ders klaf­fend neben­ein­an­der ste­hen, der Wahr­neh­mende ein Teil des­sen wird, was er wahr­nimmt, das wahr macht, was er wahr­nimmt, zumal, wenn er nicht geschult ist, auf kri­ti­sche Distanz zur Umwelt zu gehen" (Dör­ner/ Plog, 1980, S. 121).

Außer­dem wurde fest­ge­stellt, dass bei schi­zo­phren dia­gnos­ti­zier­ten Men­schen mehr Ledige vor­kom­men als in der ver­gleich­ba­ren Durch­schnitts­be­völ­ke­rung. Die­ser Befund trifft für schi­zo­phren dia­gnos­ti­zierte Män­ner ein­deu­ti­ger zu als für Frauen. Ent­we­der es ist so, dass die sozi­ale Iso­lie­rung, die viele Ledige erle­ben, zur Spal­tung führt, oder die Per­sön­lich­keit so kon­takt­arm ist, dass sie wenig Bin­dun­gen hat.

 

Therapie / Politischer Rahmen

 

Psy­cho­phar­maka (z.B. Neu­ro­lep­tika) spie­len eine wich­tige Funk­tion in der The­ra­pie. Sie lin­dern die Sym­ptome (hei­len aber die Krank­heit nicht), kön­nen die Gespannt­heit ver­min­dern und den Pati­en­ten befä­hi­gen, über sei­nen Wahn hin­aus mit ande­ren Men­schen umzu­ge­hen, wobei aber auch Neben­wir­kun­gen wie eine all­ge­meine Ver­lang­sa­mung und Antriebs­lo­sig­keit auf­tre­ten. Die Medi­ka­mente gestal­ten auch die psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Arbeit ein­fa­cher.

"Will man an ihrem Selbst erkrankte Pati­en­ten über die beschrie­bene All­tags­the­ra­pie (Grund­hal­tung) hin­aus mit sys­te­ma­ti­schen oder spe­zi­el­len psy­cho­the­ra­peu­ti­schen Ver­fah­ren errei­chen, ist zu berück­sich­ti­gen, dass sie sich meist in einem oder meh­re­ren Berei­chen von der Umwelt zurück­ge­zo­gen haben, in ihrer Phan­ta­sie anders wuchern als die, die in ihren Bezie­hun­gen krank sind, die eher über­so­zial sind und emo­ti­o­nal und sprach­lich bes­ser äuße­rungs­fä­hig sind. Es wird mehr Aus­dauer, mehr Geduld ver­langt, auch mehr Bemü­hen, den Sinn der Äuße­rung zu ver­ste­hen: was haben sie mit dem Selbst zu tun, wo ist die Anbin­dung an die Nor­ma­li­tät gege­ben, wo habe ich es mit Über­wu­che­run­gen des Selbst zu tun. Die Anwen­dung psy­cho­the­ra­peu­ti­scher Ver­fah­ren ist den­noch sinn­voll, denn sicher sind psy­cho­ti­sche Äuße­rungs­wei­sen nicht sinn­los und motiv­los, viel­mehr liegt ihnen eine innere Aus­ein­an­der­set­zung zugrunde, deren Ver­ständ­nis jedoch durch äußerst indi­vi­du­elle Über­wu­che­rung erschwert ist..." (Dör­ner/ Plog, 1980, S. 114).

 

Die manisch-depressive Störung

 

Bei ein- und dem­sel­ben Pati­en­ten wech­seln sich häu­fig mani­sche und depres­sive Zustände ab. Dies ist das typi­sche Erschei­nungs­bild der manisch-depres­si­ven Stö­rung. Diese zählt zu einer der bei­den häu­figs­ten For­men der Psy­chose. Der Gemüts­zu­stand des Pati­en­ten pen­delt zwi­schen der Depres­sion auf der einen und der Manie auf der ande­ren Seite hin und her. Die Dauer der mani­schen und der depres­si­ven Pha­sen kann vari­ie­ren. In der Regel hal­ten die depres­si­ven Pha­sen län­ger an als die mani­schen (obwohl die mani­schen Pha­sen genauso gut zwei Stun­den oder zwei Jahre andau­ern kön­nen). Depres­sive Pha­sen kön­nen sich ohne Behand­lung durch­aus über ein Jahr oder einen noch län­ge­ren Zeit­raum erstre­cken, und viele Pati­en­ten lei­den unter häu­fi­gen vor­über­ge­hen­den Depres­si­o­nen und füh­len sich in den Pha­sen dazwi­schen völ­lig nor­mal, wobei mani­sche Schübe sel­ten sind. Dage­gen durch­lau­fen andere Pati­en­ten häu­fi­ger mani­sche als depres­sive Pha­sen. Doch es gibt auch Pati­en­ten, bei denen mani­sche und depres­sive Epi­so­den immer eine bestimmte Anzahl von Tagen dau­ern und in einer abso­lu­ten Regel­mä­ßig­keit auf­ein­an­der fol­gen.

Unter der manisch-depres­si­ven Stö­rung lei­den unge­fähr zwei bis drei Pro­zent der Bevöl­ke­rung (das ist zwei- bis drei­mal so häu­fig, wie die Auf­tre­tens­häu­fig­keit der schwe­ren Form der Schi­zo­phre­nie).

Merk­mal der mani­schen Pha­sen ist, dass der Pati­ent im Gegen­satz zu der depres­si­ven Phase, in der er sich vor der äuße­ren Welt zurück­zieht und moto­risch gehemmt ist - als Zei­chen sei­ner inne­ren Leere, der Erschöp­fung und der Hoff­nungs­lo­sig­keit - in der mani­schen Phase eine Über­ak­ti­vi­tät, extreme Red­se­lig­keit, Ide­en­flucht, lockere Hei­ter­keit, Unbe­küm­mert­heit und Ver­nach­läs­si­gung sozi­a­ler Nor­men, sowie eine sub­jek­tive Gewiss­heit eige­ner Größe, Potenz und Macht fest­zu­stel­len ist.

 

Die Psychodynamik der Manie

 

In der Psy­cho­ana­lyse wird die Manie vor­wie­gend als anti­de­pres­si­ver Mecha­nis­mus ange­se­hen. Nach Freud besteht bei der Manie ein kli­ni­sches Bild, dass sich spie­gel­bild­lich zur Depres­sion ver­hält. Der anti­de­pres­sive Mecha­nis­mus besteht darin, dass mit Hilfe der Ver­leug­nung von Tren­nung, Ver­lust wich­ti­ger Per­so­nen und einem gerin­gen Selbst­wert­ge­fühl sowie durch den Ein­satz zusätz­li­cher künst­lich erzeug­ter Inhalte und Über­zeu­gun­gen, Betrieb­s­am­keit und über­trie­be­nem Aktio­nis­mus, der Ent­wick­lung einer depres­si­ven Stim­mung und einer regel­rech­ten Depres­sion ent­ge­gen­ge­wirkt wird. "Die manische Heiterkeit, die Unbekümmertheit, die Vernachlässigung sozialer Normen, überhaupt >das Über-Bord-Wer­fen des Über-Ich< gehören zu dieser antidepressiven >Stra­te­gie<. Nicht eine bio­lo­gisch fun­dierte und der depres­si­ven ent­ge­gen­ge­setzte Stim­mungs- und Antriebs­lage sei der Grund für diese Ver­än­de­run­gen von Psy­cho­mo­to­rik und Ein­schät­zun­gen von Selbst und Welt, son­dern umge­kehrt: Die Mobi­li­sie­rung der genann­ten Ver­leug­nungs­me­cha­nis­men, die mas­sive Posi­ti­vie­rung aller Erleb­nisse und die eben­falls defen­sive regres­sive Akti­vie­rung des Grö­ßen-Selbst seien der Grund für Hoch­stim­mung und ver­mehr­ten Antrieb" (Ment­zos, 1995, S. 82-83). (Das Grö­ßen-Selbst bezieht sich auf eine Phase der kind­li­chen Ent­wick­lung, in der das Kind seine moto­ri­schen Fähig­kei­ten ent­wi­ckelt und damit ver­bun­den ein Gefühl der All­macht und Größe hat; regres­siv bezeich­net das zeit­wei­lige Zurück­fal­len auf die Gefühls­welt die­ser kind­li­chen Ent­wick­lungs­phase.)

Doch die Manie ist noch mehr als ein antidepressiver Mechanismus. "Sie ist die Alternativlösung für dasselbe Problem, denselben Konflikt, dieselbe dilemmatische Konstellation, die auch zur Depression führt. Ich möchte dafür plädieren, die Manie als eine gleichsam >gleich­be­rech­tigte< Pseu­do­lö­sung des depres­si­ven Kon­flikts zu betrach­ten" (a.a.O., S. 84).

Betrach­tet man die Manie rein als einen Abwehr­me­cha­nis­mus (wie die Ver­drän­gung oder die Pro­jek­tion), um den depres­si­ven Gefühls­zu­stand zu unter­drü­cken, ver­kennt man die in der Manie ent­hal­te­nen posi­ti­ven Anteile und zwar den deut­li­chen, aber hilf­lo­sen, Ver­such, sich von der mäch­ti­gen mora­li­schen Instanz des Über-Ich zu befreien. "Mir scheint dar­über hin­aus, dass es sich hier um ein Auf­kün­di­gen des blin­den Gehor­sams dem stren­gen Über-Ich gegen­über han­delt. Aber nicht nur die­sem, son­dern auch dem ver­nünf­ti­gen, der Rea­li­tät und Logik sich anpas­sen­den Ich gegen­über" (a.a.O., S. 86).

 

Die Therapie der Manie

 

"Wichtig an dieser Stelle erscheint mir auch, das schon kurz erwähnte Positivum der Manie weiter zu erläutern. KRÖBER gehört zu den wenigen Autoren, die in mehreren Aufsätzen die verstehbare >Aus­sage< des Mani­schen zu for­mu­lie­ren und ihren posi­ti­ven Inhalt auf­zu­zei­gen ver­sucht hat. Ein intu­i­ti­ver Kli­ni­ker, sagt er (1992, S. 172), lerne in der Anschau­ung von drei Wochen mani­scher Ver­fas­sung mehr über die Nöte, Wün­sche, Wider­sprüch­lich­kei­ten, Hoff­nun­gen, über das Wert­ge­füge des mani­schen Pati­en­ten als - wenn man Pech habe - nach Remis­sion in einem Jahr Psy­cho­the­ra­pie" Ment­zos, 1995, S. 85-86).

Er geht soweit zu sagen, dass sogar viele wesent­li­che Wün­sche, Ziele und Ein­bli­cke in die Per­sön­lich­keit manisch-depres­si­ver Men­schen nur in die­ser Zeit mög­lich sei.

Er kon­zen­triert sich beson­ders auf den Inhalt des sprach­lich geäu­ßer­ten Inhal­tes des Pati­en­ten und ver­sucht zu zei­gen, dass der Pati­ent zwar in die­sen Pha­sen extrem "geschwät­zig" sei, aber nicht im eigent­li­chen Sinn ide­en­flüch­tig, da er rela­tiv bestän­dig auf bestimmte zen­trale The­men kon­zen­triert bleibe, auch wenn es unzäh­lige Varia­ti­o­nen und Wie­der­ho­lun­gen davon gibt.

 
 

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