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VerhaltenstherapieGrundlagen und geschichtlicher Hintergrund |
Geschichtliches zur Verhaltenstherapie
Die wichtigsten Stufen der Entwicklung der Verhaltenstherapie können den Arbeiten von Wolpe (1958), Eysenck (1965) und B.F. Skinner zugeschrieben werden. Wolpes Untersuchung war eine zeitgerechte Erscheinung und wurde durch Arbeiten von Eysenck und seinen Mitarbeitern unterstützt und von Skinners Beitrag weiterentwickelt, der zurückgeht auf sein Interesse am Beeinflussen des Verhaltens von chronisch psychotischen Patienten im Jahre 1953. D.B. Lindsley und T. Ayllon unternahmen den ersten Versuch, die Techniken des operanten Konditionierens in einer psychiatrischen Klinik anzuwenden. Diese Untersuchung fand schnelle Verbreitung, und die Entwicklung psychiatrischer Methoden und anderer spezieller Verfahren - für den Umgang mit gestörten Verhaltensweisen - wurden schnell bekannt. Die Verhaltenstherapie wurde in England, den USA und in verschiedenen europäischen Ländern entwickelt. Bei der Verhaltenstherapie wird vom Therapeuten versucht, wünschenswertes und konstruktives Verhalten herbeizuführen und zu verstärken.
Grundlagen der Verhaltenstherapie
Verhaltenstherapie bezeichnet eine Gruppe von psychotherapeutischen Verfahren, die auf den Lerntheorien (im Anschluss an I.P. Pawlow) basieren. Als Grundlage dienen die klassische Konditionierung, das operante Konditionieren, das Imitationslernen und die kognitive Lerntheorie. Die Verhaltenstherapie umfasst einige unterschiedliche praktische Vorgehensweisen, die aber alle auf derselben theoretischen Grundlage aufbauen.
Die Grundannahme der Verhaltenstherapie besagt: Neurotisches Verhalten und andere Arten von Verhaltensstörungen sind meistens erworben.
Die Schlussfolgerung: Ist neurotisches Verhalten erworben, so sollte es von den Lerngesetzen abhängig sein. Diese Lerngesetze beziehen sich nicht nur auf das Erlernen neuer Verhaltensmuster, sondern auch auf die Reduzierung oder das Eliminieren (Extinktion) von bestehenden Verhaltensmustern. Es gibt nicht nur gute, sondern auch schlechte Gewohnheiten, auf die die Verhaltenstherapie durch Aneignungs- und Beseitigungsverfahren abzielt. Der lerntheoretische Ansatz besagt:
Jede Verhaltensstörung ist erlernt und kann durch entsprechendes Gegenlernen abgebaut werden. Dies wird unterstützt durch den Aufbau von gegenteiligen, erwünschten Verhaltensweisen. Das Erlernen neuer Verhaltensweisen erfolgt bevorzugt durch Verwendung positiver Verstärker (angenehme Konsequenzen, z.B. Belohnungen, Lob, etc.). Unerwünschte Verhaltensweisen werden durch negative Verstärker (Reize, die unangenehme Folgen haben, z.B. Schmerz, Tadel, etc.) eliminiert.
Was ist Verhaltenstherapie?
Die Verhaltenstherapie hat ihre Wurzeln in der experimentellen Psychologie. Im Wesentlichen ist es ein Versuch, Ergebnisse und Methoden der experimentellen Psychologie auf die Störungen menschlichen Verhaltens anzuwenden.
Das Grundmuster der Verhaltenstherapie ist das schrittweise Einüben eines so genannten Zielverhaltens (das erwünschte Verhalten). Die einzelnen Schritte bestehen im allgemeinen zunächst aus einer konkreten Analyse des Verhaltens und dann der Bestimmung der Lernabschnitte, der Durchführung eines Kleinschrittlernens, einem Belastungstraining des neuen Verhaltens, einem Selbstkontrollabschnitt und aus gelegentlichen Wiederholungsstunden nach Therapieende, um das Gelernte wieder aufzufrischen (so genannte Boostersitzungen).
Es gibt zahlreiche Einzelverfahren, die sich in fünf Hauptgruppen einteilen lassen:
- Die so genannten Beseitigungsverfahren sollen unerwünschtes Verhalten beseitigen. Einige Verfahren basieren auf dem klassischen Konditionieren. Unerwünschtes Verhalten wird mit einem unangenehmen Reiz gekoppelt (ein so genannter negativer Verstärker). Dem negativen Verhalten (z.B. dem Alkoholmissbrauch) wird ein als unangenehm empfundener Reiz (z.B. ein unangenehmer Geruch) vorgeschaltet. Eine andere Möglichkeit ist beispielsweise beim Bettnässen die Hilfe von Apparaten, die schon beim geringsten Tropfen Urin einen Weckmechanismus in Gang bringen.
Alle Beseitigungsverfahren sollen so genanntes Fehlverhalten eliminieren. Eines der Hauptverfahren ist die systematische Desensibilisierung (J. Wolpe).
- Die so genannten Aneignungsverfahren beziehen sich auf das operante Konditionieren (B.F. Skinner). Die Grundannahme, dass Verhalten lehr- und lernbar ist, wird bei den Aneignungsverfahren systematisch betrieben. Sie versuchen erwünschtes Verhalten aufzubauen, in dem sie es positiv verstärken (d.h. positives Verhalten wird belohnt, damit es wiederholt wird). Ein wichtiges Verfahren dabei ist das Modell- bzw. Imitationslernen (A. Bandura). Bei diesem so genannten stellvertretenden Lernen wird ein Vorbild, das ein Verhalten zeigt, welches belohnt wird, systematisch nachgeahmt. Das erwünschte Verhalten kann entweder als Person (z.B. ein Hilfstherapeut), symbolisch (z.B. eine Figur in einem Film) oder sozusagen verdeckt (d.h. nach einem vereinbarten Modell in der Vorstellung) vorgeführt werden. Bei Kindern werden direkt positive Verstärker, wie beispielsweise Bonbons, als Belohnung für wünschenswertes Verhalten verwendet. Die vorbildhafte Rolle des Therapeuten wird bei Erfolg nach und nach ausgeblendet.
- Die Konfrontationsverfahren erzwingen den Kontakt mit den Auslösern der Angst bei psychischen Störungen. Eines der Hauptverfahren ist die Reizüberflutung (Flooding; J. Marks). Der Patient wird direkt (In-vivo-Flooding) oder in seiner Vorstellung (Flooding-in-Imagination) intensiv dem Angstauslöser ausgesetzt.
- Die Verfahren der kognitiven (erkenntnismäßig) Verhaltenstherapie beziehen das erkenntnismäßige Lernen in das Training mit ein. Die Grundannahme ist, dass erst die persönliche Interpretation eines Reizes seine Qualität bestimmt. Diese Annahme basiert auf den Emotionstheorien von Schachter und Singer und R.S. Lazarus. Es gibt keinen festen Auslöser (Reiz) für ein Verhalten in einer bestimmten Situation. Das Individuum entscheidet selbst über seine Situation und deren Bewertung.
Wesentlich dabei ist, dass der Mensch nicht mehr allein als gesteuert von seiner Umwelt gesehen wird, sondern durch menschliches Empfinden und Handeln und durch erkenntnismäßige Einschätzung dessen, was in seiner Umwelt geschieht, bestimmt wird. Der so genannte kognitive Ansatz interessiert sich sowohl für die bewussten Bedeutungen, die der Mensch Dingen zuschreibt, als auch für die äußeren Ereignisse. Die Berichte des Patienten über seine Gefühle, Ideen und Wünsche liefern das Rohmaterial, und seine verschiedenen Interpretationen von Ereignissen sind wichtige Daten in der Therapie. "Daraus lässt sich leicht ableiten, dass bei jeder Art von psychischer Störung nach denjenigen Bedeutungen zu suchen ist, die gestörte Gefühle und Verhaltensweisen hervorbringen. Bei jedem Autor gibt es zahlreiche Beispiele dafür, in welch falscher, irrationaler, realitätsferner Weise Patienten über sich, ihre Sozialpartner oder die dingliche Umwelt denken und damit als pathologisch zu bezeichnende Gefühle und Handlungen produzieren. Psychisches Leiden erscheint so als das Resultat gestörten Denkens. Daraus ergibt sich wiederum, dass es in der Therapie vor allem darauf ankommt, mit dem Klienten über seine Bewertungen und Einschätzungen zu sprechen und ihn mittels logischer Argumentation, Provokation und dergleichen zu Korrekturen seiner krankmachenden Ideen zu bringen" (Jaeggi, 1991, S. 40).
Eines der Hauptverfahren ist die so genannte Rational-emotive Therapie (A. Ellis). Die Anfangsstufe ermittelt irrationale Gedanken (z.B. Übererwartungen an andere Menschen). In der nächsten Stufe wird das gesamte irrationale "Glaubenssystem" (belief-system) hinterfragt und nach der Aufstellung eines Zielzustandes wird der Versuch unternommen, sich diesem anzunähern.
- Die allgemeinen Trainingsverfahren der Verhaltenstherapie sind in der Regel Problemlösestrategien. Eines der Hauptverfahren ist das so genannte Biofeedback-Training (T. Barber). Es wird hauptsächlich gegen die Auswirkungen von Stress eingesetzt. Anhand von Apparaten wird der Zustand der Muskelentspannung abgegriffen und optisch oder akustisch rückgemeldet. Diese rückgemeldete Muskelentspannung wird positiv verstärkt. Dabei wird eine automatische Selbstberuhigung eingeübt.
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