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Liebe, Liebesfähigkeit - Angst und SexualitätFormen von Liebe und ihre Bedeutungen |
Die Aufklärung des Phänomens Liebe ist von großer Bedeutung für das gesamte Leben, das Lebensglück und die psychische Gesundheit.
Die Fähigkeit zu lieben ist keine Selbstverständlichkeit und ist nicht automatisch mit der körperlichen Ausreifung der Geschlechtsorgane da. Man muss als Kind Liebe erfahren haben, um seine Liebesfähigkeit und sein Vertrauen in die Umwelt ausreichend entwickeln zu können.
"Aus einer Reihe berühmter Forschungsstudien, die der Psychiater René Spitz initiiert hat, geht hervor, dass Kleinkinder, die in Waisenhäusern, Krankenhäusern und ähnlichen Institutionen untergebracht waren, wo sie meistens allein gelassen wurden, zunächst schrieen, womit sie offen ihr Bedürfnis nach der Wärme und Nähe eines bemutternden Erwachsenen zum Ausdruck brachten. Nach einer geraumen Zeit, während welcher sie wenig oder gar keine Reaktionen erhielten, verfielen sie in einen Zustand verschlossener Apathie. Das Schreien hörte auf. Ihre Seelen, sofern man überhaupt in die Seele eines Kleinkindes spähen kann, schienen wie entleert" (Miller, 1996, S. 143).
In seinem ersten Lebensjahr lernt das Kind, seiner Umwelt und seinen nächsten Bezugspersonen entweder zu vertrauen oder zu misstrauen, d.h sie zu fürchten (siehe Erikson). Hat das Kind gelernt, seiner Umwelt zu vertrauen, kann es auch liebend auf sie zugehen. Hat es gelernt, seiner Umwelt zu misstrauen, entwickelt es Abwehrreaktionen, um sich vor enttäuschenden Erfahrungen zu schützen (z.B. Rückzug vor anderen Menschen).
"Das in Liebe angenommene und freie Kind kann sein Selbst entfalten und erproben, ohne sich zu manipulieren. Dieses Kind ist offen für alles Erleben, es kennt keine Tabus und erfährt seine Sinne, entwickelt volle Sinnlichkeit und ist bereit, Liebe zu geben, ohne etwas zu erwarten, zum Beispiel ein Lob, ein Geschenk oder nur das Vermeiden von Angst. Wenn man "liebt", um Angst abzuwehren, ist das keine tief aus dem Herzen mit allen Sinnen empfundene Liebe" (Lauster, 1982, S. 87).
Die Liebesfähigkeit sollte schon voll entwickelt sein, wenn die Geschlechtsreife einsetzt. Die Sexualität kommt dann als neue Erlebnismöglichkeit hinzu.
Sehr wichtig für die Entwicklung der Liebesfähigkeit ist die Offenheit der Sinne. Liebe ist ein sinnliches Erlebnis und entwickelt sich nicht über den Verstand.
Eine Meditation zum Zusammenhang zwischen Vernunft und Gefühlen
Bei vielen Menschen ist die Liebe mit Begierde verbunden: Wer liebt, möchte den Menschen, den er liebt, besitzen. Doch Liebe in einer gesunden Beziehung akzeptiert die Unabhängigkeit des anderen. Jeder sucht Nähe in einer Beziehung, doch in einer gesunden Beziehung, in der man keine permanente und tiefliegende Angst vor Verlust des Partners hat, kann man auch ertragen, dass der Partner noch ein autonomes Selbst hat, um ein gesundes Verhältnis zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und dem nach Distanz zu finden. Dazu ist ein gesundes Selbstbewusstsein sehr wichtig.
"Das Selbstbewusstsein hängt zentral mit den vergangenen Liebeserfahrungen und der daraus resultierenden gegenwärtigen Liebesfähigkeit zusammen. Das Selbst kann nur stark und selbstbewusst werden, wenn das Kind sich von den Eltern angenommen fühlt, ohne Einschränkung seiner Lebendigkeit aus Angst vor Liebesentzug" (Lauster, 1982, S. 97).
Man kann Selbstbewusstsein nur entwickeln, wenn man die Möglichkeit bekommt, sich selbst bewusst zu werden. Selbstbewusstsein ist wichtig für die Liebe. Sucht man in einer Partnerschaft das fehlende Selbstbewusstsein, ist das zum Scheitern verurteilt, denn man braucht permanente Selbstbestätigung, damit man dieses angebliche Selbstbewusstsein aufrechterhalten kann.
Eine reife Liebe braucht Individualität und ein autonomes Selbst.
Der Mensch, der sein Selbst und seine Liebesfähigkeit nicht richtig entfalten konnte, strebt häufig vor allem danach, geliebt zu werden oder sich für die Liebe aufzugeben, denn nur so kann er seine Angst vor dem Leben, vor Trennung und dem Alleinsein gering halten.
"Die Angst ist der Gegenpol der Liebe, und doch sind oft beide sehr eng beieinander, die Angst ist das unverarbeitete Kindheitstrauma, nicht so angenommen zu sein, wie man sich fühlt" (Lauster, 1982, S.89).
Im Kontext der Liebe und von Sexualität sollte Angst viel eher als ein Phänomen, das mit der Beziehung zu tun hat, betrachtet werden. Sie spielt sich zwischen den Personen und nicht in ihnen ab. Die Angst nimmt je nach Art der Schwierigkeiten, die ein Paar miteinander hat, verschiedene Verkleidungen an. "In intimen Beziehungen kann Angst unter dem Deckmantel des hilflosen Opfers erscheinen oder sich als wohlwollender Tyrann zu erkennen geben. In anderen Situationen trägt sie die Maske der Missbilligung oder das Gesicht eines gehorsamen Kindes, das um jeden Preis gefallen will. Es gibt noch viele andere Möglichkeiten; ihnen allen gemeinsam ist dieselbe Absicht, nämlich im Namen der Liebe Macht auszuüben, manchmal insgeheim, manchmal unverhohlen" (Miller, 1996, S. 36). Dies ist der Schlüssel zum Verständnis, warum manche Beziehungen zu einem Machtkampf ausarten. Jeder verfolgt das Ziel, in seiner Form über die Beziehung zu herrschen. Doch Liebe kann nicht berechnet werden. Entweder wird die Liebe freiwillig gegeben, oder die Beziehung verkommt zu einer Farce.
"Außer vielleicht in den Viten von Heiligen und anderen erleuchteten Seelen gibt es keine Liebe ohne Angst. Man muss sich schon ein ganz schönes Stück aus seinem Selbst hinauslehnen, wenn man jemanden lieben will, und es macht immer Angst, erst recht wenn man schon die Erfahrung der Trennung, des Betrugs oder räuberischen Verhaltens mit demjenigen gemacht hat, an den man sich gebunden hatte. Wir sind Kreaturen, die auf dem Weg zum Erwachsensein gelernt haben, das zu fürchten, was wir am meisten begehren" (Miller, 1996, S. 13).
Es gibt zwei zentrale Ängste in einer Beziehung: Die Verlustangst und die Angst davor, vom Partner verschlungen zu werden.
Angst ist auch einer der Hauptursachen, dass Beziehungen oft zu einem Machtkampf werden, in dem die Partner gegenseitig versuchen den anderen zu beherrschen, um damit entweder die Angst vor Verlust des Partners oder vor dem Verschlungenwerden durch den Partner zu bewältigen. Eine alte philosophische Weisheit ist, dass Angst durch fast jede menschliche Versammlung hervorgerufen wird. Angst hat mit dem Wissen der begrenzten Kräfte zu tun.
"Wo Liebe ist, da ist auch Angst und der Versuch, sie mit Hilfe von Macht zu begrenzen, so wie überall da Feuer ist, wo es raucht" (a.a.O., S. 80).
Jeder Mensch hat gesunderweise ein Bedürfnis nach menschlicher Nähe und Intimität, aber auf der anderen Seite auch nach Autonomie. Daraus resultieren einerseits die Angst vor Einsamkeit und Verlassenwerden und als Gegenpol die Angst vor Vereinnahmung. Beide sind untrennbar.
Von der Gesellschaft wird dem Mann eher die Angst vor der Vereinnahmung und der Frau die Angst vor dem Verlassenwerden zugeschrieben. Hier stellt sich zu Recht die Frage, inwieweit kulturelle Geschlechterrollenerwartungen auch das Rollenverhalten in einer Beziehung prägen.
Um Intimität und Nähe zu erzeugen, muss man sowohl das Bedürfnis nach Nähe, als auch die Autonomie des jeweils anderen anerkennen. In einer gesunden Beziehung ist das Verhältnis zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und dem nach Distanz ausgewogen.
"In gesunden Beziehungen behalten die Partner die Fähigkeit bei, recht fein zu unterscheiden, wenn es um die Motive des jeweils anderen geht, trotz aller Faktoren - Projektionen aus der Vergangenheit, Antizipation der Wünsche und Absichten des anderen, soziale Erwartungen und kulturelle Einflüsse -, die, zusammengenommen, bei praktisch jeder menschlichen Kommunikation >Geräusche< erzeugen" (a.a.O., S. 80).
Eine große Kluft zwischen Schein und Wirklichkeit setzt die Erwartungen an die Zweisamkeit einem verheerenden Irrtum aus: Das Ideal der überaus romantischen Liebe ohne Grenzen wird tagtäglich in Filmen, der Werbung und zahlreichen anderen Medien verbreitet. Es wird die Überzeugung genährt, dass die Erfüllung des Lebens in der Beziehung zu finden sei, und die Vorstellung wird vermittelt, dass Liebe etwas sei, das in Überfülle vorhanden ist. Doch in der Praxis stellt sich meist heraus, dass Liebe etwas ist, das nur knapp vorrätig ist und nicht ewig dauert und dass nach dem ersten Hoch des Verliebtseins der Alltag kommt, der bewältigt werden will.
"Die offizielle Einstellung, die uns hin zu Liebe, Ehe und Familie treibt, basiert auf der Verheißung einer Überfülle, wenn es sich wohl auch nur um eine Überfülle handelt, die in eher engen Grenzen definiert ist. Man bringt uns bei, dass die Familie dazu da sei, quasi all unsere frühen Bedürfnisse nach Liebe zu stillen, dass die Romanze mit einer bezaubernden fremden Person für die mittleren Bedürfnisse und dann noch einmal die Familie für die späten Bedürfnisse zuständig sei." (Miller, 1996, 117).
Solange die Liebe noch ausreichend vorhanden ist, kann der Glaube an die Beziehung noch relativ leicht aufrechterhalten werden, trotz gelegentlicher Hindernisse. Doch die wenigsten sind sich bewusst, dass eine langandauernde und glückliche Beziehung nur dann möglich ist, wenn man bereit ist, mit seinem Partner Konflikte (die unweigerlich auftreten, wenn zwei Menschen eine enge Beziehung eingehen) auszutragen, auch wenn das manchmal "harte Arbeit " ist und in keiner Form dem Ideal der alles überwindenden Liebe entspricht.
Es ist wichtig, die Beziehung als eine kontinuierliche Entwicklung zu sehen, in der es kein Zurück zu einer früheren Phase der Beziehung (z.B. der Phase des ersten Verliebtseins) gibt.
Das zum Download angebotene Übungsmodul dient dazu, sexuelle Probleme, wie z.B. Erektonsstörungen oder fehlende Lustempfindungen, mit Hilfe eines logisch in Einzelschritten aufgebauten Lernprogrammes abzubauen und besser damit umzugehen. Die ersten drei Schritte beschreiben die allgemeinen Inhalte des Lernprogrammes und sind Voraussetzung für Schritt 4, wo speziell das Thema "Sexuelle Schwierigkeiten" bearbeitet wird.
Liebe und Sexualität gehören zwar zusammen, dürfen aber auf keinen Fall miteinander verwechselt werden. Es gibt Sexualität ohne Liebe, und Liebe kann sich auch ohne Sexualität entfalten. Der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, betonte die Bedeutung der Entfaltung und Befreiung der Sexualität für die seelische Gesundheit. "Die verdrängten sexuellen Triebimpulse, die so typisch für seine Zeit um die Jahrhundertwende und danach waren, sind ihm bei der Behandlung und Analyse seiner Patienten aufgefallen, und er hat der Sexualität im Seelenleben des Menschen den ihr gebührenden wichtigen Platz eingeräumt" (Lauster, 1982, S. 21). Freud stellte fest, dass bereits das Kind Phasen sexueller Entwicklung durchläuft: die orale, anale und genitale Phase und sah die Entwicklungen und Erfahrungen in diesen Phasen als bedeutsam für das spätere Sexualleben des Erwachsenen an.
Nach Freud hat vor allem Wilhelm Reich (auf Freud aufbauend) die Bedeutung der Sexualität bei der Entstehung psychischer Störungen ins Zentrum gestellt. "Nach Reich ist die Ableitung sexueller Erregungsenergie durch den Orgasmus eine Voraussetzung für das körperliche und psychische Wohlbefinden, wogegen die aufgestaute Erregung zu Spannungszuständen führt, zur allgemeinen und zur speziellen Muskelverkrampfung, zu seelischer Gespanntheit sowie zu Frustrationsreaktionen. Das Fazit von Freud und Reich: Die volle sexuelle Befriedigung ist von großer Bedeutung für das seelische Wohlbefinden. Mangelnde sexuelle Befriedigung führt zum Aufbau von Frustrationsspannung. Freud glaubte, dass die Sublimierung des Sexualtriebs möglich sei, während Reich stärker biologisch orientiert war und die Triebbefriedigung für absolut notwendig hielt, um der Neurose oder Psychose zu entgehen" (a.a.O., S. 22).
Beide habe ihren Anteil an der sexuellen Befreiung geleistet. Viele Psychotherapeuten folgten ihrer Auffassung, dass die Befreiung der Sexualität den Patienten gesunden lasse. Sexualität macht nur einen Teil des Seelenlebens aus. Die Entfaltung und Befreiung der Sexualität kann zwar den Gesundungsprozess positiv anstoßen, befreit aber nicht automatisch den Menschen von seinen psychischen Störungen. Heute hat die Sexualität häufig Dominanz vor der Liebe erreicht. Sexualität wird so wichtig genommen, dass sie oft mit Liebe verwechselt wird.
Sexualität wird konsumiert, wie viele andere Genussmittel oder Reize, und Sexualkonsum führt zu keiner inneren Befreiung, da so der Sexualität die Erfüllung durch die Liebe fehlt.
Es ist wichtig, dass Liebe und Sexualität nicht verwechselt werden. Die Sexualität ist ein hormonell gesteuerter Trieb und wichtig für das seelisch-körperliche Gleichgewicht. Doch sexuelle Triebbefriedigung ohne Liebe ist eine isolierte sinnliche Wahrnehmung. Häufig sind Menschen rein auf diese Triebbefriedigung fixiert, doch das bedeutet eine starke Einschränkung des Erlebens. Da Sexualität triebgebunden ist, passiert es leicht, dass Menschen sich auf sexuelle Reize und sexuelle Befriedigung fixieren. Diese Fixierung auf die Sexualität ist weit verbreitet und resultiert daraus, dass die Fähigkeit zu lieben bei vielen Menschen unterentwickelt ist. Die Liebesfähigkeit sollte schon entwickelt sein, bevor die Geschlechtsreife einsetzt. Sexualität erhält durch Liebe erst ihre Schönheit und ihre seelische Bedeutung.
"Zuerst muss die Liebe da sein, erst dann wird die Sexualität über die bloße Triebbefriedigung hinaus sinnvoll und seelisch erfüllend" (Lauster, 1982, S. 237). Durch Liebe erhält umgekehrt die Sexualität ihre Bedeutung.
Dipl.-Psych. Volker Drewes
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