Aggressions-Bewältigung Teil 2 - Aggressions-Bewältigung | beratung-therapie.de
Aggressions-Bewältigung » Aggressions-Bewältigung Teil 2

Aggres­si­ons-Bewäl­ti­gungs­pro­gramm - Teil 2

 

Das Erregungsniveau der am Konflikt Beteiligten

Der Ein­fach­heit hal­ber wol­len wir hier unter Erre­gung das Wir­ken star­ker Gefühle ver­ste­hen. Hier einige Gründe, warum Erre­gung im Zusam­men­hang mit Kon­flik­ten eine meist destruk­tive Rolle spielt:

  • Erre­gung ver­min­dert die Denk­fä­hig­keit.
  • Erre­gung führt zu Aggres­si­o­nen.
  • Erre­gung ist anste­ckend.
  • Erre­gung ver­min­dert die Fähig­keit, sich in Andere ein­zu­füh­len.

Diese Auf­zäh­lung könnte man noch wei­ter füh­ren. Eines wird aber jetzt schon deut­lich: Erre­gung erhöht die Chance der Kon­flikt­ver­schär­fung.

Warum das so ist, wird deut­lich, wenn wir uns klar machen, was in unse­rem Gehirn pas­siert, wenn Gefühle und Erre­gung im Spiele sind.

 

Informationsverarbeitung

Aggression

Die Abbil­dung gibt in sehr ver­ein­fach­ter Form wie­der, wie das Gehirn arbei­tet, wenn wir mit einer Situa­tion kon­fron­tiert wer­den, die Unlust erregt (GB1) und/oder als bedroh­lich emp­fun­den wird. Wie wir sehen, wer­den dabei Infor­ma­ti­o­nen par­al­lel auf zwei ver­schie­de­nen Wegen ver­a­r­bei­tet:

Obe­rer Weg:
Wir erhal­ten Infor­ma­ti­o­nen über die Sin­nes­or­gane. Der Tha­la­mus schickt die Infor­ma­tion an die Groß­hirn­rinde und andere Berei­che, die für die ver­stan­des­mä­ßige Ver­a­r­bei­tung zustän­dig sind. Die Infor­ma­ti­o­nen wer­den dort rati­o­nal und logisch ver­a­r­bei­tet. Das dau­ert zwar seine Zeit. Die Ergeb­nisse sind jedoch durch­dacht und mehr oder weni­ger Abwä­gung mög­li­cher Kon­se­quen­zen.

Unte­rer Weg:
Gleich­zei­tig wer­den die Infor­ma­ti­o­nen durch den Tha­la­mus an die Amyg­dala (den Man­del­kern) wei­ter­ge­lei­tet, wo sie emo­ti­o­nal -gefühls­mä­ßig- bewer­tet wer­den. Das geht schnell und reflex­ar­tig. Wenn keine oder wenig Kon­trolle über den Obe­ren Weg vor­han­den ist -das Groß­hirn also aus­ge­schal­tet wird- kommt es zu unüber­leg­ten emo­ti­o­na­len und hef­ti­gen Reak­ti­o­nen. Kom­plexe Pro­bleme kön­nen auf diese Weise nicht gelöst wer­den. Man han­delt ego­zen­trisch. Die Gefühle und Bedürf­nisse ande­rer Men­schen wer­den kaum oder nicht berück­sich­tigt.

Blei­ben wir beim UNTE­REN WEG, der für den beschrie­be­nen Zusam­men­hang von beson­de­rer Bedeu­tung ist. Grund­sätz­lich erleich­tert er uns schnelle Reak­ti­o­nen. Müsste man aber in jeder Situa­tion über­le­gen, wäre man bald über­for­dert. Die meis­ten Gefühle sind zudem etwas Schö­nes, Lebens­er­hal­ten­des. Wir lie­ben unsere Kin­der oder andere uns nahe ste­hende Men­schen nicht nur aus logi­schen Erwä­gun­gen her­aus (obe­rer Weg) son­dern weil wir eine emo­ti­o­nale Bezie­hung zu ihnen haben (unte­rer Weg). Unter Bedro­hung rea­gie­ren Men­schen über den Unte­ren Weg aber nicht sel­ten mit Angst oder Aggres­sion. Das hat bio­lo­gi­sche Gründe. Angst ist ja eigent­lich eine lebens­er­hal­tende Sache. Unsere Gene befeh­len uns, bei dro­hen­der Gefahr reflex­ar­tig, ohne lange Uber­le­gung zu han­deln. Wür­den wir erst nach­den­ken, wären wir viel­leicht schon tot. Diese blitz­schnelle Reak­tion wird durch einen (hier sehr ver­ein­facht dar­ge­stell­ten) Mecha­nis­mus her­vor­ge­ru­fen, den wir von unse­ren tie­ri­schen Vor­fah­ren geerbt haben:

  1. Eine als gefähr­lich ein­ge­schätzte Situa­tion akti­viert den Unte­ren Weg.
  2. Ein Teil des Gehirns rea­giert dar­auf mit der blitz­schnel­len Aus­schüt­tung eines Hor­mons -ACTH (Adre­no­cor­ti­tro­pes Hor­mon)
  3. Die Neben­nie­ren­rinde wird dadurch ange­regt, Hor­mone zu pro­du­zie­ren, die den Kör­per in einen erhöh­ten Erre­gungs- und Span­nungs­zu­stand - in Stress - ver­set­zen. Kör­per­lich neh­men wir das durch Schwit­zen, Bleich-oder Rot­wer­den, schnel­le­ren Herz­schlag o. ä. wahr.
  4. Gleich­zei­tig wer­den aber auch Denk­zel­len im Gehirn blo­ckiert, damit man reflex­ar­tig rea­gie­ren kann. (Der obere Weg ist aus­ge­schal­tet.)

Im Prin­zip führt der Untere Weg zu zwei Reak­ti­ons­mög­lich­kei­ten:

  • man flüch­tet, wenn man die Mög­lich­keit sieht und keine Chance hat, dem Angrei­fer Paroli zu bie­ten
     
    oder
  • man greift an, wird aggres­siv, wenn man sich in die Ecke gedrängt fühlt.

Ver­set­zen wir uns in die Lage eines Schü­lers. Er sitzt an einer schwie­ri­gen mathe­ma­ti­schen Auf­gabe. Der Leh­rer nähert sich und meckert. Er kri­ti­siert, dass zu lang­sam gear­bei­tet wird und zu unor­dent­lich. Man solle sich gefäl­ligst etwas beei­len. Das erweckt Angst beim Kind. Die Sin­nes­or­gane mel­den Gefahr an das Gehirn. ACTH wird aus­ge­schüt­tet, die Neben­nie­ren­rinde rea­giert mit der Pro­duk­tion von Stress­hor­mo­nen. Dadurch wer­den Flucht­me­cha­nis­men in Gang gesetzt, die die Denk­zel­len blo­ckie­ren. In der freien Natur ware das viel­leicht sinn­voll. In der Schule aber nicht! Das Kind kann nicht flie­hen, es muss in der Situa­tion ver­har­ren. Und gerade jetzt braucht das Kind die Denk­zel­len, um mit dem Pro­blem fer­tig zu wer­den.

Die Schul­si­tua­tion ist im Ver­hal­ten des Men­schen nicht vor­pro­gram­miert, was zu einer Fehl­an­pas­sung führt. Das Kind zeigt Leis­tungs­ver­sa­gen, Angst (Flucht) oder lehnt sich mit Frech­hei­ten und Aggres­si­o­nen gegen Leh­rer und Eltern auf (Angriff).

Im nächs­ten Schritt, in dem es um Emo­ti­o­nen und Erre­gung geht, kön­nen Sie als ers­tes eine Übung durch­füh­ren.

 

Emotionen und Erregnung

Füh­ren Sie fol­gende Übung durch, um Ihre eigene Erre­gung (oder die Ihres Kin­des, Vor­ge­setz­ten usw.) ein­zu­schät­zen. Benut­zen Sie dafür die Erre­gungs­ni­veau­kurve aus dem fol­gen­den Schritt "Erre­gung im Griff!"

Übung 1:
Beur­tei­len Sie dafür Ihre und die Erre­gung Ihres Gegen­übers mit Hilfe unse­rer Erre­gungs­ni­veau­kurve. Beob­ach­ten Sie sich und Ihr Kind (oder Part­ner, Kol­le­gen, Vor­ge­setz­ten) in aku­ten Situa­ti­o­nen. Schät­zen Sie mit Hilfe der Kur­ven ein, wie hoch Ihre eigene Erre­gung und die Ihres Kin­des oder des Ande­ren ist. Viel­leicht gelingt es Ihnen dadurch, wie­der die Kon­trolle zu gewin­nen (GB2) und die Situa­tion zu ent­span­nen (GB1):
Machen Sie Auf­zeich­nun­gen mög­lichst in der aku­ten Situa­tion, spä­tes­tens aber unmit­tel­bar danach!

Emo­ti­o­nen und Erre­gung sind anste­ckend! Das haben wir schon oben ange­deu­tet, kann aber nicht oft genug wie­der­holt wer­den:

In vie­len Fäl­len nei­gen Eltern und Kin­der (oder Ehe­part­ner, Kol­le­gen usw.) dazu, sich mit der Auf­re­gung gegen­sei­tig anzu­ste­cken. Viel­leicht wird das Kind zunächst etwas ver­är­gert, frus­triert von der stän­di­gen Nör­ge­lei der Mut­ter. Diese wie­derum ist frus­triert vom Ver­hal­ten des Kin­des. Bei bei­den steigt der Adre­na­lin­spie­gel. Mut­ter schreit (Angriff), Kind wird bockig oder ängst­lich (Flucht) - an eine kon­struk­tive Pro­blem­lö­sung ist jeden­falls nicht mehr zu den­ken. Je mehr man sich gegen­sei­tig hoch­bringt, um so mehr bleibt die Ver­nunft auf der Stre­cke. Der UNTERE WEG wird gemein­sam beschrit­ten.

Übung 2 [P]:
Neh­men Sie doch mal Ihre Ehe­krä­che auf Video auf In einer ruhi­genund gemüt­li­chen Stunde schauen Sie sich die Auf­nahme gemein­sam an. Beur­tei­len Sie ehr­lich die Qua­li­tät Ihrer Argu­men­ta­tion und beob­ach­ten Sie, inwie­weit Sie ein­fühl­sam und diplo­ma­tisch vor­ge­gan­gen sind (Ver­spü­ren Sie dann auch den ,,MEIN GOTT! !! !- Effekt"?). Beur­tei­len Sie selbst, wel­cher Weg bei Ihrer Inter­ak­tion über­wie­gend beschrit­ten wurde.

 

Wie kann man Erregung in den Griff bekommen?

Wenn Sie mit einem Kind in Kon­flikt gera­ten: Wer von Ihnen bei­den hat grö­ßere Chan­cen, die­sen Kreis­lauf zu unter­bre­chen - Sie oder das Kind?

Natür­lich Sie! Las­sen Sie uns also an Mög­lich­kei­ten arbei­ten, Ihre eigene Erre­gung unter Kon­trolle zu brin­gen. Damit erhöht sich die Chance, dass Sie dem­nächst über­legt und pro­fes­si­o­nell mit dem Kind umge­hen. Wenn Sie mit Erwach­se­nen Pro­bleme haben, wird Ihnen dies eben­falls Vor­teile ver­schaf­fen.

Der erste Schritt ist, sich über das Aus­maß und die Aus­wir­kun­gen der Erre­gung aller Betei­lig­ten im Kla­ren zu sein.

Erre­gungs­ni­veau beim Kind/Jugend­li­chen! Kon­flikt­part­ner

Schät­zen Sie im Kon­flikt­fall den Grad der Erre­gung auf einer Skala von 0 bis 100 ein. Ori­en­tie­ren Sie sich dabei an der Gra­fik unten.

Bei­spiel: Ab 50 Grad setzt Kon­troll­ver­lust ein (GB2). Doku­men­tie­ren Sie, was Sie kurz vor Ein­set­zen des Kon­troll­ver­lus­tes beob­ach­ten (Aus­druck, Stimm­lage usw.)

Erregung

Ihr eige­nes Erre­gungs­ni­veau

Beob­ach­ten Sie im Kon­flikt­fall Ihre Emp­fin­dun­gen, Erre­gungs­ni­veau und Ver­hal­tens­wei­sen par­al­lel zu oben. Doku­men­tie­ren Sie, was Sie kurz vor dem Ver­lust Ihrer Selbst­kon­trolle spü­ren und füh­len:

Erregungsniveau

Sie kön­nen nun auf Basis Ihrer Auf­zeich­nun­gen gemein­sam wei­tere Tech­ni­ken der Ent­span­nung und Eska­la­tion ein­üben.

Das schaf­fen Sie nicht?! Was ver­lan­gen Sie dann von Ihrem Kind?!

Das lei­tet zum Thema KOM­PE­TENZ über.

 

Zurück

Aggres­si­ons-Bewäl­ti­gungs­pro­gramm - Teil 3

Dipl.-Psych. Volker Drewes
beratung-therapie.de wird beraten durch Dipl.-Psych. Volker Drewes
Psychotherapie-Anfrage Berlin
Therapieplatz-Anfrage: 030/236 386 07

Dipl.-Psych. Volker Drewes
Kollwitzstr. 41
10405 Berlin

business@beratung-therapie.de

Über www.beratung-therapie.de

  • Psychologische Beratung
  • Psychologische Artikel
  • Psychologische Tests
  • Premium-Lernprogramme