Wie bewerkstelligt man nun die Aufgabe, in einer komplexen, teilweise unbekannten, teilweise intransparenten und dynamischen Situation zu handeln? Zunächst überlegt man sich, was man tun könnte, was die Folgen dieses Tuns sein könnten und worauf man eigentlich hinaus will. Berücksichtigt man dabei die folgenden Schritte, so verbessert man seine Chancen, die Aufgabe zu bewältigen, Fehlentscheidungen zu vermeiden oder in einer Arbeitsstörung stecken zu bleiben (oder gar die Aufgabe gänzlich zu verweigern).
Einzelne Schritte, um zu einem Urteil über ein kompliziertes Problem (Aufgabe) zu kommen:
Zielausarbeitung:
In einer komplexen Handlungssituation ist es zunächst günstig,
sich Klarheit über das anzustrebende Ziel zu verschaffen. Nicht in
jeder Situation ist von Anfang an klar, was man eigentlich konkret will.
Für das Urteilen und den Entscheidungsprozeß ist es wichtig,
klar umrissene Ziele zu haben (z.B.: bei dem Ziel, eine Trabantenstadt wohnlicher
zu gestalten, muß genau definiert werden, was man konkret unter "wohnlicher"
versteht und welche konkreten Maßnahmen sich daran knüpfen).
So hat man klare Richtlinien in der Hand, die einem helfen, Maßnahmen
danach zu beurteilen, ob sie geeignet oder ungeeignet sind, um das angestrebte
Ziel zu erreichen.
Modellbildung und Informationssammlung:
Nach der Ausarbeitung der Zielvorstellungen kommt es nun zu der Informationsbeschaffung.
Man muß versuchen, mehr Klarheit über die Situation selber zu
erhalten. Daran hindert einen häufig die nur begrenzt zur Verfügung
stehende Zeit, die oft nicht ausreicht, um alle notwendigen Informationen
zu sammeln. Darüber hinaus ist es mit der reinen Sammlung von Informationen
nicht getan, denn die Informationen müssen möglichst so integriert
werden, daß sich etwas wie ein Gesamtbild, ein Realitätsmodell,
mit dem man umgehen kann, ergibt. Eine Anhäufung von nicht gegliederten
Informationen vermehrt eher die Unübersichtlichkeit, als daß
sie eine Entscheidungshilfe wäre. "Es muss alles irgendwie
zusammenpassen; man braucht keinen Informationshaufen, sondern ein “Bild”
der Sache, damit man Wichtiges von Unwichtigem trennen kann und weiß,
was zusammengehört und was nicht" (Dörner, 1992, S. 70).
Hierzu benötigt man das bereits erwähnte Strukturwissen, d.h.
Ideen darüber, wie Dinge zusammengehören.
Prognose:
Hat man alle notwendigen Informationen gesammelt, sollte man in der Lage
sein, über die gegenwärtige Lage hinaus, auch die Entwicklungstendenzen
des Systems, die sich aus der gegenwärtigen Lage ergeben, abzuschätzen.
Die Frage, wie sich das System entwickeln wird, ist für die Planung
und Beurteilung oft wichtiger, als die gegenwärtige Situation (z.B.
ob die wirtschaftliche Situation in einem Land sich in einem Aufwärts-
oder Abwärtstrend befindet ist häufig wichtiger, als die momentane
wirtschaftliche Situation).
Planung von Aktionen; Entscheidung und Durchführung der Aktionen:
Nun ist es notwendig, sich ein Bild über die möglichen Maßnahmen
zu machen. Es stellt sich die Frage, was man tun soll, oder ob man überhaupt
Maßnahmen ergreifen soll. Häufig wird aus verschiedenen Gründen
(z.B. zeitsparender) so gehandelt, wie man es gewohnt ist und es schon immer
gemacht hat, d.h. in einer gewohnten, ritualisierten Form. Obwohl es bestimmt
einige Vorteile hat, behindert es Menschen auch in ihrem Handlungsspielraum
und steht häufig einer effektiven Problemlösung im Wege.
Nach der Planung folgt die praktische Umsetzung, d.h. die Entscheidung für einen bestimmten Plan, da es häufig verschiedene Handlungsalternativen gibt, die auf den ersten Blick als gut erscheinen.
Effektkontrolle und Revision der Handlungsstrategien:
Die Umsetzung des Plans in die Praxis muß von einer ständigen
Selbstkontrolle begleitet sein. Es muß überprüft werden,
ob tatsächlich das eintritt, was man erwartet hat. Wenn nicht, muß
man eventuell auf eine frühere Phase der Handlungsorganisation zurückgehen.
Eventuell muß man neue Informationen sammeln, da die dem Plan zugrunde
liegenden Informationen falsch oder unvollständig waren. Eventuell
müssen neue Handlungswege ausgearbeitet werden, da die gewählten
nicht den gewünschten oder gar keinen Effekt erzielen. Manchmal muß
man sogar sein gesamtes Modell der Situation ändern.
Auf der anderen Seite ist es häufig sinnvoll, einen bestimmten Handlungsweg nicht zu früh aufzugeben. Nachhaltigkeit und Beharrlichkeit können in einigen Fällen auch zum Ziel führen. Es gilt einen Mittelweg zu wählen, zwischen sturem Festhalten an einem einmal eingeschlagenen Weg und dem zu schnellen Aufgeben bei den ersten Schwierigkeiten, die auftreten.
So kann man sich ungefähr die unterschiedlichen Stationen vorstellen, die man bei der Organisation komplexen Handelns durchläuft. Natürlich ist es nicht als ein einfaches Fortschreiten von Station zu Station zu verstehen. "Normales Handeln findet nicht statt, indem man sich zunächst die Ziele klarmacht, dann Informationen sammelt, dann die Zukunft antizipiert, dann Maßnahmen plant, um schließlich zu einer Entscheidung zu kommen und nachher die Angemessenheit des eigenen Handelns zu überprüfen. Vielmehr wird es oft so sein, daß man erst in der Phase der Informationssammlung merkt, daß die Ziele nicht hinreichend klar sind, um tatsächlich gute Kriterien für die Informationssammlung zu liefern. Oft wird man erst bei der Ausarbeitung eines Handlungsweges merken, daß die Informationen, die man für genügend hielt, keineswegs hinreichend sind. Im Tun stellt sich eine gut geplante Maßnahme oft als falsch heraus" (a.a.O., S. 72). Von jeder Station des Handlungsweges zu der anderen gibt es Rücksprünge. Die tatsächliche Planung einer Anzahl komplizierter Maßnahmen kann so aus einem vielfältigen Hin- und Herspringen zwischen den unterschiedlichen Stationen bestehen. Außerdem beschreiben die dargestellten Stationen nicht den tatsächlich ablaufenden Prozeß, sondern sind eine vereinfachte Darstellung. Sie stellen eine mögliche und nach Dörner sinnvolle Aufteilung der verschiedenen Anforderungen, mit denen man in komplizierten Situationen konfrontiert ist, dar, für jemanden, der sich ein Bild über die richtigen Maßnahmen und das richtige Verhalten in solchen Situationen machen will. Die fünf Stationen beschreiben die Probleme, die in solchen Situationen gelöst werden müssen.
Dipl.-Psych. Volker Drewes
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